Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuermeßbeträge 1986, 1987, 1988
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 10.04.2000; Aktenzeichen VI R 159/98) |
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Der Sohn … der Klägerin (Klin) ist am … 1960 geboren. Er ist zu 100 v.H. behindert und in einem Heim untergebracht. Die Kosten trägt der … im Rahmen der Eingliederungshilfe für Behinderte nach §§ 39 ff Bundessozialhilfegesetz (BSHG) als erweiterte Hilfe nach § 43 BSHG. Das Kindergeld für … wurde durch den … als Kostenbeitrag beansprucht. Mit Wirkung zum 1.1.1997 verzichtete der … auf den Kostenbeitrag.
Durch Bescheid vom 5.2.1997 hob die Familienkasse des Arbeitsamts … (des Beklagten –Bekl–) die Bewilligung des Kindergeldes für den Sohn … ab Januar 1997 gemäß § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) mit der Begründung auf, der notwendige Lebensunterhalt sei durch die gewährte Eingliederungshilfe nach dem BSHG abgedeckt.
Der Bekl wies den dagegen gerichteten Einspruch in der Einspruchsentscheidung vom 11.3.1997 als unbegründet zurück.
Im Klageverfahren trägt die Klin vor, daß bei ihrem Sohn seit der Geburt eine geistige Behinderung bestehe.
Die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung sei rechtswidrig. Denn … sei nicht in der Lage, sich selbst zu unterhalten.
Die an … gezahlte Eingliederungshilfe decke tatsächlich gerade nicht dessen notwendigen Lebensunterhalt vollständig ab. Darüber hinaus entstünden notwendige Kosten, die durch den in der Einrichtung gewährten Lebensunterhalt nicht abgedeckt seien. Die Klin führt beispielhaft auf: Abholfahrten für Ferien- und Wochenendaufenthalte zu Hause, Fahrtkosten für Heimfahrten, Kosten für ein zu Hause bereitgehaltenes Zimmer, notwendige Betreuungs- und Versorgungsleistungen während der sieben Heimaufenthalte, Kosten für sämtliche Freizeitunternehmen während der sieben Heimaufenthalte, Kosten für Bekleidung zu Hause, Zahlungen für Arzt- und Therapiebehandlungen und Medikamente, die nicht mehr von der Krankenkasse übernommen werden, Kosten für Freizeitunternehmungen … in den Ferien und Kosten für Einrichtungsgegenstände für … Zimmer in der Anstalt. Diese Kosten seien solche des notwendigen Lebensunterhalts, nicht etwa des angemessenen, wie der BFH in seinem Urteil vom 14.6.1996 III R 13/94, BFHE 181, 128, BStBl II 1997, 13 meine. Der intensive Kontakt eines behinderten Menschen zu seiner Herkunftsfamilie stehe unter dem Schutz des Art. 6 Grundgesetz (GG). Für das Besuchsrecht eines solchen Menschen gelte dasselbe, wie es das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Ausübung des Umgangsrechts des geschiedenen Elternteils mit den eigenen Kindern am 25.10.1994 – 1 BvR 1197/93 – NJW 1995, 1342 entschieden habe.
Die Gewährung von Kindergeld an Eltern, deren erwachsene behinderte Kinder für ihren Aufenthalt in stationären Einrichtungen Eingliederungshilfe erhielten, verstoße auch nicht gegen Art. 3 GG. Läge dieser Verstoß vor, so wäre auch die Härteregelung in § 91 Abs. 2 Satz 2 BSHG verfassungswidrig. Tatsächlich habe der BFH ungleiche Sachverhalte verglichen. Die Lage von Eitern schwerstbehinderter Kinder, die nur in stationären Einrichtungen leben könnten, sei nicht mit der Lage anderer Eltern vergleichbar. Vielmehr müßten sie besondere Härten in ihrem Leben hinnehmen, denen z.B. § 91 Abs. 2 Satz 2 BSHG Rechnung trage.
Auf das Schreiben der Klin vom 6.9.1997 im einzelnen wird verwiesen.
Die Klin beantragt,
den Aufhebungsbescheid des Arbeitsamts … Familienkasse – vom 5.2.1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.3.1997 aufzuheben, das Arbeitsamt … Familienkasse – zu verpflichten, der Klin für … ab Januar 1997 Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Bekl beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Bekl meint, daß es sich bei … um kein berücksichtigungsfähiges Kind handle.
Anspruch auf Kindergeld bestehe für Kinder im Sinne des § 63 i.V.m. § 32 EStG (§ 62 Abs. 1 EStG).
Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet habe, könne gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG berücksichtigt werden, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außer Stande sei, sich selbst zu unterhalten.
Die Behinderung von … sei unstreitig. … sei jedoch nicht außerstande, sich selbst zu unterhalten.
Der BFH habe in einem Rechtsstreit über kindbedingte Steuervergünstigungen entschieden, daß ein Kind dann außerstande sei, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten könne. Dies sei dann der Fall, wenn die Behinderung einer Erwerbstätigkeit entgegenstehe oder wenn das Kind über keine anderen Einkünfte oder Bezüge verfüge. Erhalte ein in einem Heim lebendes behindertes Kind Eingliederungshilfe gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. §§ 39, 40 BSHG und umfaßten die Leistungen die Unterbringungs- und Verpflegungskosten sowie zusätzliche Barbeträge (insbesondere Taschengeld), deckten diese grundsätzlich den notwendigen Lebensbedarf des Kindes ab. In diesem Fall bestehe für eine steuerliche Entlastung der Eltern keine Veranlassung. Gleiches gelte auch dann, ...