Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerfreiheit von Zuschlägen für ärztlichen Bereitschaftsdienst an Sonntagen, Feiertagen und zur Nachtzeit. kein Vertrauensschutz bei Vorbetriebsprüfung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Steuerbefreiung nach § 3b EStG ist auf Vergütungen für einen ärztlichen Bereitschaftsdienst nicht anwendbar, wenn die Vergütung pauschal für den gesamten geleisteten Bereitschaftsdienst gezahlt wird, ohne das berücksichtigt wird, ob dieser an Sonntagen, Feiertagen bzw. zur Nachtzeit oder zu steuerlich nicht begünstigte Zeiten geleistet wird.
2. Eine Steuerfreiheit kommt nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber für die Bereitschaftsdienste in den gem. § 3b Abs. 1 Nr. 1 – 4 i. V. m. Abs. 2 EStG begünstigten Zeiten einen Zuschlag gegenüber der Entlohnung zahlt, welche außerhalb der begünstigten Zeiten für diese Tätigkeit vereinbart war.
3. Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung ist die Finanzbehörde bei der Veranlagung nicht an die Sachbehandlung der Betriebsprüfung in den Vorjahren gebunden (kein Vertrauensschutz).
Normenkette
EStG § 3b
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob § 3b Einkommensteuergesetz (EStG) auf Vergütungen für geleisteten ärztlichen Bereitschaftsdienst (BD) anwendbar ist.
Die Klägerin betreibt Fachkliniken in Form einer GmbH. Seit den 90er Jahren bezahlt sie Vergütungen für ärztlichen Bereitschaftsdienst. Im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung für die Jahre 1996 bis 1999 wurde im Prüfungsbericht vom 31. März 2000 unter Tz. 4 beanstandet, dass die Assistenzärzte innerhalb der Lohnart 145 für den Bereitschaftsdienst an Samstagen für die Zeit von 13.00 Uhr bis 20.00 Uhr einen Zuschlag erhielten, der während dieser Zeit nicht nach § 3b EStG steuerfrei behandelt werden könne.
In der darauffolgenden Lohnsteuer-Außenprüfung wurde die Handhabung der Vergütungen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit (SFN-Arbeit) im Prüfungsbericht vom 19. September 2003 nicht beanstandet.
Der Manteltarifvertrag (MTV) vom 1. April 2000 enthält zum ärztlichen Bereitschaftsdienst in § 8 Nr. 1 Buchst. a) ebenso wie der MTV vom 28. März 2006 in § 12 Nr. 1 folgende Regelung:
„Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, sich auf Anforderung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer, vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen (Bereitschaftsdienst). Der Arbeitgeber darf Bereitschaftsdienst nur anordnen, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt”.
Der für den streitigen Prüfungszeitraum von 1. August 2003 bis 30. Juni 2007 geltende Entgelttarifvertrag der Klägerin vom 29. Juli 2002 lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 5 |
Mehrarbeitsvergütung/Zeitzuschläge |
2. Für Arbeiten zu folgenden Zeiten werden folgende Zuschläge pro Stunde bezahlt: |
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a) für Nachtarbeit |
1,43 EUR |
b) für Arbeiten an Samstagen |
7,15 EUR |
c) für Arbeiten an Sonntagen/vor dem 1. Weihnachtsfeiertag ab 12.00 Uhr/ |
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vor dem Neujahrstag ab 12.00 Uhr |
7,67 EUR |
d) für Arbeiten an Feiertagen |
8,69 EUR. |
§ 6 |
Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft |
Der Bereitschaftsdienst und die Rufbereitschaft werden pauschal vergütet. Die Beträge ergeben sich aus folgender Tabelle:
|
Werktag |
Samstag/Sonntag/Feiertag |
Ärztlicher Bereitschaftsdienst |
135,85 EUR |
202,98 EUR |
Technische Rufbereitschaft |
35,79 EUR |
71,58 EUR”. |
In den Arbeitsverträgen mit den Ärzten vereinbarte die Klägerin bzgl. der Arbeitszeit Folgendes:
„Die durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit richtet sich jeweils nach § 6 des Manteltarifvertrages (MTV), sie beträgt zur Zeit ausschließlich der Pausen … Wochenstunden und wird im einzelnen durch den Dienstplan bzw. entsprechende Dienstanweisung geregelt.
Zudem ist Bereitschaftsdienst zu leisten. Dieser wird ebenfalls im Dienstplan festgelegt und dauert von montags bis freitags vom Ende der regulären Arbeitszeit bis zum Beginn der regulären Arbeitszeit am Folgetag. An Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen dauert der Bereitschaftsdienst jeweils 24 Stunden.”
Als Folge dieser Regelungen wurden die in § 5 des Entgelttarifvertrags vom 29. Juli 2002 unter Ziffer 2 aufgeführten Zuschläge faktisch an Ärzte nicht ausbezahlt, da Nachtarbeit, Arbeit an Samstagen, Sonn- und Feiertagen automatisch unter den Bereitschaftsdienst sowie dessen in § 6 geregelte Vergütung gefallen ist. Für die Bereitschaftsdienstzahlungen war es irrelevant, ob bzw. wie viele Einsätze während dieser Zeit zu leisten waren.
In den Entgeltabrechnungen der Ärzte wurden die Bereitschaftsdienstzahlungen auf einen Stundensatz von 5,66 EUR/Werktag (WT) und 8,46 EUR/Samstag, Sonntag und Feiertag (FT) umgerechnet und zusammen mit der Anzahl der jeweils geleisteten Stunden verschiedenen Lohnarten zugeordnet. Dabei wurden folgende Lohnarten als steuerfrei behandelt: