Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer. Verkürzung der Beteiligungskette
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Erwerb aller Geschäftsanteile an einer grundbesitzenden GmbH (Enkelgesellschaft) durch die mittelbare Gesellschafterin (Großmuttergesellschaft) von der unmittelbaren Gesellschafterin (Muttergesellschaft) unterliegt als sogenannte „Verkürzung der Beteiligungskette” nach § 1 Abs. 2b GrEStG der Grunderwerbsteuer.
2. Liegt eine unmittelbare Änderung im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft vor, spielen die mittelbaren Beteiligungsverhältnisse für die Frage der Tatbestandsmäßigkeit des Vorgangs keine Rolle.
3. Für eine einschränkende Auslegung dahingehend, dass die Erwerberin mit Blick auf ihre zuvor bestehende mittelbare Beteiligung als Altgesellschafterin anzusehen ist, sodass der Erwerb der 100%-igen unmittelbaren Beteiligung nicht dem Tatbestand des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG unterfällt, besteht kein Raum.
4. Gegen die Anwendung der Regelung des § 1 Abs. 2b GrEStG auf den streitgegenständlichen Vorgang der Verkürzung der Beteiligungskette bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 2b; GG Art. 3 Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein nach § 1 Abs. 2b Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) steuerpflichtiger Vorgang verwirklicht wurde.
Im Eigentum der Klägerin, der A GmbH (HRX …, Amtsgericht der Stadt B), befindet sich Grundbesitz in der Stadt C, Flurstück …, a Straße 1, 2, 3, 4, 5.
An der Klägerin war zunächst die D GmbH mit Sitz in der Stadt E (…) (Österreich) zu 100 % beteiligt. Alleinige Gesellschafterin der D GmbH ist seit dem Jahr 2019 die F GmbH mit Sitz in der Stadt G. Diese hatte sämtliche Geschäftsanteile an der D GmbH, die zu diesem Zeitpunkt noch als H GmbH firmierte (…), mit Notariatsakt vom XX.XX.2019 erworben (Geschäftszahl XXX, Notar 1, Stadt J / Österreich, …). Für die durch diesen Geschäftsanteilserwerb bewirkte Vereinigung aller Anteile an der D GmbH in der Hand der F GmbH setzte der Beklagte gegenüber letzterer mit (zuletzt geändertem) Bescheid vom 04.05.2023 Grunderwerbsteuer in Höhe von … EUR fest (…).
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom ….10.2021 (Notar 2, Stadt K, UR …/…) veräußerte die D GmbH sämtliche Geschäftsanteile an der Klägerin an die F GmbH und trat diese mit Wirkung zum 01.01.2022 ab.
Die Klägerin bzw. deren Bevollmächtigte zeigte diesen Vorgang gegenüber dem Beklagten mit Schreiben vom 02.08.2022 gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 3b und § 20 GrEStG an. Sie ließ ausführen, im Zuge der vollzogenen Umstrukturierung sei die – nach Auffassung der Finanzverwaltung wohl gegebene – Grunderwerbsteuerpflicht des Vorgangs zunächst nicht erkannt worden. Ob dies tatsächlich der Fall sei, sei durch die Rechtsprechung nicht geklärt und in der Literatur umstritten. Die F GmbH könnte als Altgesellschafterin anzusehen sein, da bereits eine mittelbare Beteiligung an der Klägerin bestanden habe.
Der Beklagte forderte am 22.08.2022 beim Finanzamt Stadt K eine Feststellung des Grundbesitzwertes für Zwecke der Grunderwerbsteuer für den Grundbesitz der Klägerin an. Mit Bescheid vom 31.08.2022 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin nach § 1 Abs. 2b GrEStG Grunderwerbsteuer in Höhe von … Euro fest. Den Grundbesitzwert schätzte er hierfür – den Angaben der Klägerin in der o.g. Anzeige folgend – auf … EUR.
Die Bevollmächtigte der Klägerin legte hiergegen fristgerecht Einspruch ein.
Am 26.10.2022 erging ein gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geänderter Grunderwerbsteuerbescheid, nachdem ein Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 01.01.2022 für Zwecke der Grunderwerbsteuer ergangen war. Die Grunderwerbsteuer setzte der Beklagte nun auf … EUR fest.
Am 15.12.2022 erging ein gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderter Feststellungsbescheid hinsichtlich des Grundbesitzwertes, welcher nunmehr auf … EUR festgestellt wurde. Der Beklagte setzte die Grunderwerbsteuer aufgrund dessen mit geändertem Bescheid vom 17.04.2024 auf … EUR fest.
Den Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 04.09.2023 zurück.
Die Klägerin hat am 08.10.2023 Klage erhoben.
Sie macht geltend, der Verkauf und die Übertragung aller Geschäftsanteile an einer grundbesitzenden GmbH durch die Gesellschafterin (Muttergesellschaft) auf deren Gesellschafterin (Großmuttergesellschaft) sei als sog. „Verkürzung der Beteiligungskette” nicht tatbestandsmäßig nach § 1 Abs. 2b GrEStG, ebenso wenig wie nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG. Hinsichtlich des subsidiär zu § 1 Abs. 2b GrEStG anwendbaren § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG werde dies selbst von der Finanzverwaltung so gesehen, vgl. gleich lautender Erlass betr. Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG vom 02.12.1999, Bundessteuerblatt Teil I (BStBl I) 1999, 991, Tz. 3. Die Finanzverwaltung habe sich darin der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) angeschlossen (Urteile vom ...