Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründung eines Wohnsitzes im Inland. Keine eurparechtliche Diskriminierung durch erbschaftsteuerliche Freibetragsregelung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Wohnsitz im Inland wird nicht dadurch begründet, dass jemand sich bei dauerndem und langfristigem Aufenthalt im Ausland nur gelegentlich im Urlaub oder zu Besuchszwecken in einer Wohnung im Inland aufhält.
2. Die europäischen Grundfreiheiten gelten uneingeschränkt im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer.
3. Die unterschiedliche Freibetragsregelung nach § 16 ErbStG für beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtige wird europarechtlich dadurch gerechtfertigt, dass beschränkt Steuerpflichtige nicht mit ihrem gesamten Vermögen, sondern nur mit ihrem Inlandsvermögen der deutschen Schenkungs- und Erbschaftsteuer unterliegen.
4. Eine mittelbare Diskriminierung im Ausland wohnender EG-Bürger ist durch die unterschiedliche Gestaltung der Freibetragsregelung nur gegeben, wenn mindestens 90 % des gesamten Vermögens der inländischen Schenkungs- und Erbschaftsteuer unterliegen.
Normenkette
ErbStG § 16 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 2 Abs. 1 Nr. 1a; AO § 8; EG Art. 234 Abs. 2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob § 2 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 16 Abs. 2 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) das europäische Gemeinschaftsrecht verletzt.
Die Kläger, am xx.xx.1995, am xx.xx.1996 und am xx.xx.1999 geborene Geschwister, sind britische Staatsbürger und in Großbritannien wohnhaft.
Mit notariellem Grundstücksübertragungsvertrag vom 27. Dezember 2004 erhielten sie von Ihrem Vater – unter Vorbehalt des Nießbrauchs bis zum 23. Oktober 2017 – das im Grundbuch von A Nr. xxxx eingetragene Grundstück FlSt.-Nr. xxx/x, Gebäude- und Freifläche, X-weg mit 1.300m² zu gleichen Teilen.
Am 31. Mai 2005 erließ der Beklagte (das Finanzamt – FA) gegenüber den Klägern jeweils einen Schenkungsteuerbescheid. Unter Zugrundlegung des erklärten und auch festgestellten Grundbesitzwertanteils von 43.166 Euro und Abzug des Freibetrags gemäß § 16 Abs. 2 ErbStG für beschränkt Steuerpflichtige von 1.100 Euro wurde die Schenkungsteuer jeweils auf 2.940 Euro festgesetzt, wovon ein Teilbetrag von 1.435 Euro gemäß § 25 ErbStG gestundet und inzwischen abgelöst worden ist.
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 4. Juni 2005 legten die Kläger Einspruch ein. Zur Begründung trugen sie vor, die Nichtberücksichtigung des höheren Freibetrags gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG sei rechtswidrig, insbesondere verstoße dies gegen das vorrangige Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union. Es liege eine Diskriminierung hinsichtlich der Staatsangehörigkeit und auch hinsichtlich des Grundrechts der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit vor, weil deutsche und nichtdeutsche Staatsbürger unterschiedlich behandelt würden.
Mit Einspruchsentscheidung vom 17. Oktober 2007 wies das FA die Einsprüche als unbegründet zurück.
Mit der am 22. Oktober 2007 (gemeinsam) erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Ziel weiter. Zur Begründung machen sie ergänzend geltend, dass sie – wie zuvor ihr Vater – das geschenkte Grundstück bzw. das darauf errichtete Wohnhaus gelegentlich als Ferienwohnung und nicht als Einnahmequelle für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nutzen würden. Insgesamt halte sich ihr Vater überwiegend gemeinsam mit Ihnen für die Dauer von jährlich etwa sechs bis acht Wochen in dem – auch mit privaten Gegenständen und Utensilien – voll umfänglich ausgestatteten Anwesen auf. Daraus ergebe sich, dass sowohl Ihr Vater als auch sie als Inländer im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 a ErbStG gelten würden. Für die Annahme des hierzu notwendigen Wohnsitzes reiche es aus, dass im Inland ein Wohnraum zur Verfügung stehe, der genutzt werden könne und auch genutzt werde. Eine dauernde Nutzung sei nicht erforderlich. Auch der in Abständen immer wieder genutzte Zweitwohnsitz gelte als Wohnsitz in diesem Sinne.
Die Kläger beantragen,
- die Bescheide vom 31. Mai 2005, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Oktober 2007, aufzuheben,
- die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären sowie
- hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt,
Die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidungen und trägt ergänzend vor, dass der Vater der Kläger zwar in den neunziger Jahren bei der Einwohnermeldebehörde in A gemeldet gewesen sei, sich jedoch im November 1999 nach England abgemeldet habe.
Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die dem Gericht vorliegenden Steuerakten verwiesen.
Mit Schreiben vom 26. Juni 2008 (AS. 70) haben die Kläger und mit Schreiben vom 22. Juli 2008 (AS. 74) hat das FA jeweils auf mündliche Verhandlung verzichtet (vgl. § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Zutreffend ist das FA zunächst davon ausgega...