Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorausetzungen für eine Pflicht des Finanzamts zur Annahme eines Abtretungsangebots nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Sind Unternehmer und Leistungsempfänger davon ausgegangen, dass der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG auf eine vor dem 15.2.2014 erbrachte steuerpflichtige Leistung schuldet, stellt sich diese Annahme aufgrund des Urteils BFH, Urteil v. 22.8.2013, V R 37/10 als unrichtig heraus und hat der Leistungsempfänger einen Erstattungsantrag bei seinem Finanzamt gestellt sowie der leistende Unternehmer umgehend seine Rechnungen berichtigt und ein Abtretungsangebot an das Finanzamt gemacht, so muss dieses das Abtretungsangebot des leistenden Unternehmers gemäß § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen auch dann annehmen, wenn nach Eingang des Abtretungsangebots beim Finanzamt der Leistungsempfänger gegenüber dem Leistenden bezüglich der berichtigten Rechnungen diverse Einwendungen wie Verjährung, inhaltliche und betragsmäßige Fehler erhebt, Gegenforderungen gegen den Leistenden, insbesondere Schadensersatzansprüche infolge von Leistungsmängeln geltend macht und vorsorglich gegenüber dem Leistenden die Aufrechnung mit den Schadensersatzansprüchen geltend macht.
2. Zwar führt eine wirksame Aufrechnung zum Erlöschen der Umsatzsteuerforderung des Leistenden, dies steht ihrer Abtretbarkeit jedoch nicht entgegen. Es obliegt es dem Finanzamt als Abtretungsempfänger, die Umsatzsteuerforderung gegen den Leistungsempfänger durchzusetzen und zu klären, ob die Aufrechnungserklärung des Leistungsempfängers auch tatsächlich zum Erlöschen der Forderung geführt hat. Der leistende Unternehmer hat nach dem Wortlaut des § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG lediglich Mitwirkungshandlungen vorzunehmen, wie etwa Informationen einzuholen, (vertragliche) Unterlagen beizubringen oder das Entstehen der Forderung gegen den Leistungsempfänger darzulegen und zu beweisen. Er muss nicht sämtliche möglichen Erlöschensgründe entkräften.
3. In den Fällen des § 27 Abs. 19 UStG beginnt die dreijährige Verjährungsfrist für den Anspruch des leistenden Unternehmers gegen den Leistungsempfänger auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer mit dem Schluss des Jahres, in dem der leistende Unternehmer Kenntnis erlangt hat, dass der Leistungsempfänger einen Erstattungsantrag bei seinem Finanzamt gestellt hat.
4. Bei der Regelung in § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG handelt es sich abweichend vom Gesetzwortlaut um eine Ermessensreduktion auf Null, sodass im Fall einer Abtretung des leistenden Unternehmers keine Steuer durch den leistenden Unternehmer zu zahlen ist.
Normenkette
UStG §§ 13b, 27 Abs. 19 Sätze 1, 3, 4 Nrn. 1, 4; AO §§ 47, 218 Abs. 2 S. 1; BGB §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 2
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, die ihm von dem Kläger am 22. Januar 2016 angebotene Abtretung des dem Kläger gegen die B. GmbH zustehenden Anspruchs auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer anzunehmen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Streitig ist nach einer Klageänderung, ob der Kläger einen Anspruch auf Annahme des von ihm abgegebenen Abtretungsangebots durch den Beklagten hat.
Der Kläger betreibt als Einzelunternehmer einen Zimmereibetrieb. Aufgrund eines Vertrages vom 21. Dezember 2010 erbrachte er in den Streitjahren an die B. GmbH, C.-straße, D. Bauleistungen für das Bauvorhaben E.-Siedlung – F.-straße/G.-straße (im Folgenden: Bauvorhaben). Bei der Rechnungsstellung gingen der Kläger und die B. GmbH unter Berücksichtigung der im Zeitpunkt der Leistungserbringung geltenden Verwaltungsanweisung davon aus, dass die B. GmbH als Leistungsempfängerin GmbH nach § 13b Umsatzsteuergesetz – UStG – die Umsatzsteuer für die Bauleistungen schuldete. Dementsprechend wies der Kläger in seinen Rechnungen an die B. GmbH keine Umsatzsteuer aus.
In seinen Umsatzsteuererklärungen für 2011 vom 15. Februar 2013 und für 2012 vom 20. März 2014 erklärte der Kläger keine Umsatzsteuer hinsichtlich der Bauleistungen. Die Steueranmeldung stand nach § 168 Satz 1 Abgabenordnung – AO – einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich.
Mit Schreiben vom 2. Dezember 2015 teilte das für die B. GmbH zuständige Finanzamt H. dem Beklagten mit, dass die B. GmbH unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 22. August 2013 – V R 37/10 die Erstattung der Umsatzsteuer (§ 13b Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 UStG) beantragt habe. Ausweislich der – dem Schreiben beigefügten – von der B. GmbH übermittelten Anlage beliefen sich die Umsätze aus dem Bauvorhaben im Jahr 2011 auf insgesamt 34.826,47 EUR netto und im Jahr 2012 auf insgesamt 11.396,...