Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortsetzungsfeststellungsinteresse bei erledigten Kontenpfändungen. Durchsuchungsbeschluss ohne vorherige Anhörung des Vollstreckungsschuldners. Kein Verwertungsverbot für bei rechtswidriger Durchsuchung gewonnenen Erkenntnissen im weiteren Verlauf des Vollstreckungsverfahrens
Leitsatz (redaktionell)
1. Da sich Pfändungs- und Einziehungsverfügungen typischerweise relativ kurzfristig erledigen, ist bei diesen Verwaltungsakten im Interesse effektiven Rechtsschutzes die Schwelle zur Annahme des Fortsetzungsfeststellungsinteresse niedrig anzusetzen. Bei erledigten Kontenpfändungen besteht ein Rehabilitierungsinteresse, da Kontenpfändungen typischerweise nachteilige Auswirkungen auf die Kreditwürdigkeit haben.
2. Die fehlende Anhörung des Vollstreckungsschuldners vor Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses erscheint nicht als schwerwiegender Fehler, wenn der Schuldner keinerlei Zahlungs- und Kooperationsbereitschaft zeigt.
3. Erkenntnisse, die aufgrund einer rechtswidrigen Durchsuchung gewonnen wurden, dürfen im weiteren Verlauf des Vollstreckungsverfahrens verwendet werden.
Normenkette
FGO § 100 Abs. 1 S. 4; AO §§ 254, 287, 315
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit von Pfändungs- und Einziehungsverfügungen.
Der Kläger war Geschäftsführer der B. GmbH. Über das Vermögen der GmbH wurde am 10.04.2003 das Insolvenzverfahren eröffnet. Ihre steuerlichen Zahlungsverpflichtungen erfüllte die GmbH nicht mehr vollständig. Daher erließ der Beklagte am 09.11.2004 Haftungsbescheide betreffend Umsatzsteuer, Lohnsteuer und Nebenleistungen über 16.013,06 EUR bzw. 1.157,10 EUR, gegen die der Kläger Einspruch einlegte. Die Haftungsbescheide enthalten jeweils die Aufforderung, den angegebenen Haftungsbetrag bis zum 10.12.2004 auf das Konto der Finanzkasse L. einzuzahlen. Die Einsprüche hatten nur in der Weise Erfolg, dass der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 27.06.2006 die Haftungssumme für Lohnsteuer zuzüglich Nebenleistungen auf 1.061,69 EUR herabsetzte. Im Übrigen wies er die Einsprüche als unbegründet zurück, worauf der Kläger beim Finanzgericht – FG – des Landes Brandenburg unter dem Az. 3 K 1334/06 Klage erhob, über die schließlich am 17.08.2010 der 8. Senat des erkennenden Gerichts mündlich verhandelte. Als Ausfluss dieser Verhandlung wurden die Haftungssummen auf 4.747,27 EUR bzw. 703,61 EUR reduziert. Anträge auf Aussetzung der Vollziehung beim FG wegen dieser Haftungsbescheide sind nicht ersichtlich.
Da der Kläger der Zahlungsaufforderung keine Folge leistete, erließ der Beklagte am 08.03.2005 eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber der … Sparkasse, die jedoch nicht zum Erfolg führte. Gleiches galt für eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber der VR-Bank … e. G.
Am 14.09.2006 beantragte der Beklagte die Eintragung einer Sicherungshypothek auf einem Grundstück des Klägers in R., dem das Amtsgericht – AG – L. entsprach.
Am 08.09.2006 suchten zwei Vollziehungsbeamte des Beklagten das vom Kläger bewohnte Grundstück auf, forderten den Kläger erfolglos zur Zahlung auf und forderten ihn weiter auf, freiwillig die Durchsuchung der Wohnräume zu gestatten. Dies verweigerte der Kläger, ebenso die Unterschrift auf der entsprechenden Niederschrift, die ihm vorgelesen und zur Durchschrift vorgelegt wurde (vergleiche Bl. 16 ff. der Gerichtsakte).
Am 15.09.2006 beantragte der Beklagte beim AG L. eine richterliche Durchsuchungsanordnung für das Wohngrundstück des Klägers. Diesem Antrag entsprach das AG mit Beschluss vom 12.10.2006 15 M …/06, ohne im Rahmen des Beschlussverfahrens den Kläger angehört zu haben.
Mit diesem Durchsuchungsbeschluss begaben sich am 24.11.2006 vormittags zwei Vollziehungsbeamte wiederum zum Wohngrundstück des Klägers, wo sie jedoch keinen Bewohner antrafen. Während einer der Vollziehungsbeamten als Zeuge fungierte, stieg der andere durch ein Kellerfenster in das Haus ein. Im Haus fand der Vollziehungsbeamte drei Versicherungspolicen und 28 EUR Bargeld vor, die er pfändete und mitnahm. Das Gericht nimmt auf die Pfändungsniederschrift (Blatt 19 ff. der Gerichtsakte) Bezug.
Am 27.11.2006 erließ der Beklagte Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gegenüber den aus den gepfändeten Versicherungsscheinen ersichtlichen Versicherungsunternehmen, nämlich der Hamburg-Mannheimer Versicherungs AG – im Folgenden: H – und der Zurich Deutscher Herold Lebensversicherungs-AG – im Folgenden: Z. Durchschriften dieser Verfügungen übersandte der Beklagte dem Kläger am 06.12.2006. Die Pfändung gegenüber H ging ins Leere, da bezugsberechtigt allein die Ehefrau des Klägers war. Demgegenüber erkannte Z die Pfändung als begründet an und erklärte sich bei Vorlage der Original-Versicherungspolice zur Zahlung bereit. Daraufhin kündigte der Beklagte unter Übersendung des Versicherungsscheins am 14.12.2006 die bei Z geführte Lebensversicherung.
Eben...