Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Kapitalertragsteuerabzug von Zahlungen einer Familienstiftung an die Destinatäre mangels Vergleichbarkeit mit Gewinnausschüttungen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Annahme einer wirtschaftlichen Vergleichbarkeit der Zahlungen einer Familienstiftung an die Destinatäre mit Gewinnausschüttungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG genügt es nicht, dass es sich bei den unter § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG fallenden Leistungen um Leistungen aus Erträgen handelt.
2. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG knüpft in sachlicher Hinsicht an die Ausschüttung eines Ertrags aufgrund einer vermögensmäßigen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft an. Daran fehlt es, wenn die Destinatäre lediglich die Empfänger der vom Stifter bestimmten Stiftungsleistungen sind, ohne jedoch über die einem Anteilseigner oder einem Mitglied einer Körperschaft zustehenden rechtlichen Befugnisse oder Einwirkungsmöglichkeiten zu verfügen.
3. Die Leistungen der Klägerin sind auch nicht in sonstiger Weise mit einer Gewinnausschüttung wirtschaftlich vergleichbar. Denn die Destinatäre sind keine hinter der Klägerin stehenden Personen, die eine mit einem Anteilseigner oder einem Mitglied vergleichbare Position inne haben. Vielmehr sind die Destinatäre lediglich die Empfänger der vom Stifter bestimmten Stiftungsleistungen. Im Gegensatz zu einem Anteilseigner oder einem Mitglied einer Körperschaft haben die Destinatäre aber in ihrer Stellung keine rechtlichen Befugnisse oder Einwirkungsmöglichkeiten bei der Klägerin.
4. Eine vGA i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG setzt unter anderem voraus, dass die bei der Kapitalgesellschaft eingetretene Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 KStG ausgewirkt hat. Jedoch mindern die Leistungen der Klägerin die Einkünfte der Klägerin nicht.
Normenkette
EStG 2002 § 20 Abs. 1 Nrn. 9, 1, § 44 Abs. 5 S. 1; AO § 191 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
Der Haftungsbescheid vom 29. Januar 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 3. Juli 2007 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist für die Klägerin wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Beschluss:
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine im Jahr 1895 von dem Gutsbesitzer C. errichtete Familienstiftung. Zweck der Klägerin ist, das Vermögen des Stifters den männlichen Abkömmlingen seines Vaters, B., und seines Großvaters, A., zu erhalten und den Abkömmlingen durch Zuwendungen der Stiftung eine in wirtschaftlicher Beziehung gesicherte Lebensstellung zu verschaffen (§ 1 der Satzung vom 22. Februar 1975 – Satzung –).
Nach § 6 Abs. 1 der Satzung sind anteilsberechtigt die ehelichen männlichen Abkömmlinge des D. und des A… und die ehelichen männlichen Abkömmlinge der Söhne des E.. Jeder der Anteilsberechtigten hat unter den Voraussetzungen der §§ 7 und 9 der Satzung einen Anspruch auf eine Kapitalzuwendung und eine Zeitrente sowie unter den Voraussetzungen des § 8 der Satzung einen Anspruch auf eine lebenslängliche jährliche Rente in Höhe von DM 1.000,–. Auf den Inhalt der Satzung wird im Übrigen Bezug genommen.
Die Klägerin ist Eigentümerin von vier in B… belegenen Grundstücken und ist an der Immobilien-KG B. & Co. …Center … beteiligt. Ferner erzielt die Klägerin Kapitalerträge aus Guthaben aus Wertpapieren, Bank- und Kassenbeständen. Das Stiftungsvermögen der Klägerin betrug zum 31. Dezember 1950 DM ….
Die Klägerin erklärte in den Körperschaftsteuererklärungen der Streitjahre 2002 bis 2005 Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von EUR …,– (2002), in Höhe von EUR …,– (2003), in Höhe von EUR …,– (2004) und in Höhe von EUR …,– (2005) sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von EUR …,– (2002), in Höhe von EUR …,– (2003), in Höhe von EUR …,– (2004) und in Höhe von EUR …,– (2005).
In der Anlage zum Körperschaftsteuerbescheid 2004 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass eventuell geleistete Destinatärzahlungen seit dem 1. Januar 2002 gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 9 in Verbindung mit § 43 Abs. 1 Nr. 7a Einkommensteuergesetz – EStG – dem Kapitalertragsteuerabzug unterliegen. Der Beklagte bat deshalb um Nachreichung der entsprechenden Steueranmeldungen bzw. um Mitteilung, warum bislang keine Anmeldungen abgegeben worden seien. Die Klägerin teilte hierauf mit, sie zahle an bestimmte Abkömmlinge regelmäßig Leistungen in Form von Rentenleistungen. Diese Leistungen stellten keine Einkünfte aus Kapitalvermögen dar. Außerdem seien satzungsmäßige Auskehrungen erfolgt, die jedoch keine Leistungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG darstellten. Denn die Begünstigten seien...