rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein direkter Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch des vermeintlichen Leistungsempfängers gegenüber dem FA aufgrund des Reemtsma-Urteils des EuGH bei späterer steuerlicher Nichtanerkennung eines Lease-and-sale-back-Geschäfts. Rechnungsberichtigung durch den nunmehr insolvenzbedingt zahlungsunfähigen leistenden Unternehmer und Erstattung der ursprünglich an das FA abgeführten Umsatzsteuer an die Insolvenzmasse. kein Verstoß von § 37 Abs. 2 S. 1 AO gegen höherrangiges Recht
Leitsatz (redaktionell)
1. Sind die beteiligten inländischen Unternehmer von einem „Sale-and-lease-Back”-Geschäft ausgegangen und wurde die angenommene Lieferung der Ware an den Leistungsempfänger ordnungsgemäß der Umsatzsteuer unterworfen, wird das Sale-and-lease-back-Geschäft aber später vom FA steuerlich nicht mehr anerkannt, berichtigt nunmehr der „liefernde” Unternehmer die Rechnung für die ursprünglich angenommene Lieferung und wird wegen der zwischenzeitlichen Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des ehedem „liefernden”, nun zahlungsunfähgen Unternehmers die Umsatzsteuer infolge der Rechnungsberichtigung an die Insolvenzmasse erstattet, so kann der ursprüngliche Leistungsempfänger aus dem Reemtsma-Urteil des EuGH (v. 15.3.2007, C-35/05) sowie den Grundsätzen der Neutralität und Effektivität der Mehrwertsteuer keinen unmittelbaren Anspruch gegenüber dem für den leistenden Unternehmer zuständigen FA auf Erstattung der Umsatzsteuer ableiten, die er als Kaufpreisbestandteil im Rahmen der Sale-and-lease-back-Geschäfte an den liefernden Unternehmer und den dieser wiederum nach entsprechender Selbstfestsetzung an das FA gezahlt hat.
2. § 37 Abs. 2 S. 1 AO verstößt weder gegen das Grundgesetz noch gegen Europarecht und bedarf auch keiner (europarechtskonformen) Auslegung unter Beachtung des Anwendungsvorrangs des Europarechts.
Normenkette
AO § 218 Abs. 2 S. 2, § 37 Abs. 2 Sätze 1-3; UStG § 14c Abs. 1 S. 2, § 17 Abs. 1, § 18 Abs. 1, 3; BGB § 812 Abs. 1; InsO § 35 Abs. 1; Richtlinie 2006/112/EG
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 15.07.2014; Aktenzeichen VII R 33/13) |
Tenor
Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheides betreffend ein von der Klägerin begehrtes Erstattungsguthaben aus überzahlter Umsatzsteuer.
Die Klägerin gehört der so genannten „…-Gruppe” an (…-Gesellschaften). Dies ist eine Gruppe von ca. 500 Kommanditgesellschaften, bei denen die Kommanditisten natürliche Personen aus dem gesamten Bundesgebiet sind, während die Komplementärin in allen Gesellschaften zunächst die …-GmbH war. Mit Wirkung zum 31. August 2008 schied die Komplementärin aus der Klägerin aus und die … wurde Komplementärin der Klägerin. Einziger Kommanditist ist U. Unternehmenszweck der Klägerin ist der Handel, die Vermietung und das Leasing von beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern.
Im Jahr 2007 schloss die Klägerin – wie auch zu verschiedenen Zeitpunkten die anderen …-Gesellschaften – mit der „…GmbH” (nachfolgend P) einen Vertrag über den Ankauf und die Rückvermietung so genannter …-Systeme („Sale-and-lease-Back”). Der Kauf – wie auch die entsprechenden Miet- bzw. Leasingzahlungen – wurden als umsatzsteuerpflichtige Geschäfte behandelt. P wies die auf den Verkauf entfallende Umsatzsteuer in den Rechnungen offen aus und führte sie an den Beklagten als zuständiges Finanzamt ab. Die Klägerin als Leistungsempfängerin machte die ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend. Für die Rückvermietungen durch die Klägerin an P wurde von der Klägerin Umsatzsteuer angemeldet und von P Vorsteuer geltend gemacht. Nach den Feststellungen des für einige …-Gesellschaften zuständigen Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung … stellte der Verkauf der …-Systeme von P an die Klägerin keine Lieferungen i.S.v. § 3 Abs. 1 UStG dar, da es an der Verschaffung der Verfügungsmacht scheitere. In Abstimmung mit den für die Besteuerung der …-Gesellschaften zuständigen Finanzbehörden erkannte der Beklagte die Kauf- und Leasingverträge zwischen P und der Klägerin steuerlich nicht an. Die von P ausgewiesene Umsatzsteuer wurde als ungerechtfertigter Steuerausweis gem. § 14c Abs. 1 UStG angesehen. P machte von der Möglichkeit der Rechnungsberichtigung gemäß § 14c Abs. 1 S. 2 UStG Gebrauch und korrigierte den Steuerausweis mit Schreiben vom … Dezember 2008 für die Klägerin. Der Zugang dieser Schreiben wird von der Klägerin bestritten.
Mit Beschluss des Amtsgerichts … vom … 2009 wurde über das Vermögen von P das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet und Rechtsanwalt … zum Insolvenzverwalter bestellt. Nachdem die jeweiligen für die …-Gesellschaften zuständigen Finanzbehörden bestätigten, dass keine Steuergefährdung (hinsichtlich der Vorsteuer) mehr gegeben sei, erstattete der Beklagte die Umsatzsteuer auf Antrag an die Insolvenzmasse. Die Nichtanerkennung de...