Entscheidungsstichwort (Thema)
Kirchensteuererstattungsüberhang als rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO
Leitsatz (redaktionell)
Es unterliegt keinen ernstlichen rechtlichen Zweifeln, dass ein Kirchensteuer- Erstattungsüberhang in einem Folgejahr ein rückwirkendes Ereignis darstellt, aufgrund dessen der Sonderausgabenabzug des Verausgabungsjahrs unter Änderung der bestandskräftigen Steuerfestsetzung um den Erstattungsüberhang im Zuflussjahr zu mindern ist.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 4, § 11 Abs. 1; AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Streitjahr(e)
1993, 1994, 1996
Nachgehend
Tatbestand
I.
Streitig ist die Berücksichtigung von im Jahre 1999 erstatteten Kirchensteuern in den Jahren 1993, 1994 und 1996.
Die Antragsteller sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Antragsteller gehört der evangelischen Kirche, die Antragstellerin der römisch-katholischen Kirche an. In den Einkommensteuerbescheiden 1993 bis 1997 berücksichtigte der Antragsgegner die in den jeweiligen Jahren gezahlten Kirchensteuern - teilweise nach Abzug von im Zahlungsjahr erhaltenen Erstattungen - erklärungsgemäß als Sonderausgaben. Im Veranlagungszeitraum 1999 zahlten die Antragsteller laut Bescheid vom 16.01.2002 Kirchensteuern i. H. v. 145,- DM. Zugleich erhielten sie in diesem Zeitraum Kirchensteuererstattungen i. H. v. insgesamt 27.826,- DM. Die Erstattungen erfolgten aufgrund von (geänderten) Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 1993 bis 1997, mit denen neben der Einkommensteuer auch die Kirchensteuern entsprechend herabgesetzt und erstattet wurden (für 1997 Erstbescheid). Es handelt sich im einzelnen um folgende Beträge:
Veranlagungszeitraum: |
Bescheid vom: |
Erstattung: |
|
1993 |
24.11.1999 |
7.372,- DM |
|
1994 |
24.11.1999 |
7.155,- DM |
|
1995 |
28.09.1999 |
6.178,- DM |
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1996 |
28.07.1999 |
6.543,- DM |
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1997 |
14.04.1999 |
578,- DM |
27.826,- DM |
Den nach Abzug der gezahlten Kirchensteuer 1999 i. H. v. 145,- DM verbleibenden „Erstattungsüberhang” i. H. v. 27.681,- DM verteilte der Antragsgegner rechnerisch in Relation zu den tatsächlichen Erstattungsanteilen auf die Veranlagungszeiträume 1993 bis 1997 (1993: 7.334,-DM, 1994: 7.118,- DM, 1995: 6.146,- DM, 1996: 6.509,- DM, 1997: 574,- DM).
Am 01.12.2003 erließ der Antragsgegner nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Einkommensteuerbescheide 1993, 1994 und 1996. In diesen Änderungsbescheiden minderte er die als Sonderausgaben berücksichtigten Kirchensteuerzahlungen um die o. g. anteiligen Erstattungsüberhänge (1993: 7334,- DM und 1994: 7.118,- DM). Im geänderten Einkommensteuerbescheid 1996 minderte der Antragsgegner die Kirchensteuerzahlung 1996 nur um einen Betrag von 4.138,- DM, da die Kirchensteuerzahlung 1996 i. H. v. 9.655,- DM bereits um eine im Jahre 1996 erhaltene Erstattung von 5.517,- DM gekürzt worden war. Für die Veranlagungszeiträume 1995 und 1997 unterblieben Änderungen, weil die Einkommensteuer auf 0,- DM festgesetzt worden war und auch ein geringerer Sonderausgabenabzug an dieser Festsetzung nichts geändert hätte.
Gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide 1993, 1994 und 1996 legten die Antragsteller Einsprüche ein, die der Antragsgegner wegen eines Musterprozesses vor dem Bundesfinanzhof (BFH) gemäß § 363 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) ruhend gestellt hat. Die zugleich gestellten Anträge auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner mit Verfügungen vom 17.12.2003 ab.
Mit ihrem Antrag vom 19.12.2003 begehren die Antragsteller nun die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide gemäß § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch das Gericht. Zur Begründung tragen sie vor, der BFH habe bislang nur für Ausnahmefälle eine Änderung bestandskräftiger Bescheide zugelassen. Aus diesen Urteilen könne nicht abgeleitet werden, dass in jedem Fall bestandskräftige und vorliegend auch festsetzungsverjährte Bescheide nach § 175 AO geändert werden könnten. Den Entscheidungen des BFH hätten Fälle zu Grunde gelegen, in denen willkürliche Zahlungen geleistet worden oder von Anfang an ohne Rechtsgrund gezahlte Sonderausgaben erstattet worden seien. Im Streitfall sei die Kirchensteuer aber nicht willkürlich gezahlt worden. Die Antragsteller gehörten nach wie vor der Kirche an.
Das Finanzgericht Düsseldorf habe sich im Urteil vom 30.06.2003 (7 K 6600/01 E) bei einem Erstattungsüberhang gegen eine Änderung der Vorjahresbescheide ausgesprochen. Es habe ausgeführt, dass ein Kirchensteuererstattungsüberhang kein rückwirkendes Ereignis in Bezug auf den Sonderausgabenabzug der den Erstattungen zu Grunde liegenden Kirchensteuerzahlungen für die bestandkräftigen Einkommensteuerbescheide der Vorjahre darstelle.
Die Antragsteller beantragen,
die Vollziehung der geänderten Einkommensteuerbescheide 1993, 1994 und 1996 vom 01.12.2003 auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Bei summa...