rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe: Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr - Maßgeblichkeit der tatsächlich erhaltenen Gebühren

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr eines im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts unterbleibt gemäß § 15a RVG, solange er insgesamt von seinem Mandanten oder der Staatskasse keinen höheren Betrag erhält, als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag beider Gebühren.
  2. Für die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr im PKH-Vergütungsverfahren kommt es nur auf die gezahlte, nicht schon auf die entstandene Geschäftsgebühr an.
  3. Daher ist auch eine fiktive Anrechnung von erzielbaren Beratungshilfegebühren nicht geboten.
 

Normenkette

RVG § 15a Abs. 1-2, § 45 Abs. 1, § 55 Abs. 5, § 58; VV RVG Nr. 2300; VV RVG Nr. 3100

 

Tatbestand

Streitig ist, ob auf die nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) festzusetzende Vergütung der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Erinnerungsführer (Ef.) die Geschäftsgebühr anzurechnen ist.

Die Ef. vertraten im Hinblick auf die Bewilligung von Kindergeld die Interessen ihrer Mandantin zunächst im Rahmen des bei der Familienkasse seit dem 23.03.2011 geführten Einspruchsverfahrens. Die Ef. waren auch Prozessvertreter im anschließenden Klageverfahren 3 K 1672/11 Kg. Für dieses war der Klägerin mit Beschluss vom 05.09.2011 Prozesskostenhilfe bewilligt und ein bei der Ef. tätiger Rechtsanwalt beigeordnet worden.

Am 12.09.2011 haben die Ef. beantragt, bezogen auf einen Gegenstandswert in Höhe von 2.496,00 EUR Gebühren und Auslagen wie folgt festzusetzen:

1,6 Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV

257,60 EUR

Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV

20,00 EUR

Zwischensumme

277,60 EUR

19% USt

52,74 EUR

Gesamt

330,34 EUR

Zugleich haben die Ef. darauf hingewiesen, keine Zahlungen der Klägerin erhalten zu haben.

Mit Beschluss vom 31.10.2011 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die aus der Staatskasse an die Ef. zu zahlende Vergütung gemäß § 45 ff. RVG auf 186,65 EUR fest. Den weitergehenden Antrag, von einer Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr (1/2 von 1,5 = 120,75 EUR) abzusehen, lehnte die Beamtin unter Hinweis auf Vorbemerkung 3 Abs. 4 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG Vergütungsverzeichnis - VV - RVG ab. Die Vergütung berechnete die Urkundsbeamtin wie folgt:

1,3 Verfahrensgebühr, § 45 RVG i.V.m. Nr. 3100 VV

257,60 EUR

Anrechnung hälftige Geschäftsgebühr (0,75 von 1,5) Vorbem. 3 Abs. 4 zu Teil 3 VV RVG

 ./. 120,75 EUR

Zwischensumme

136,85 EUR

Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV

20,00 EUR

Zwischensumme

156,85 EUR

19% USt

29,80 EUR

Gesamt

186,85 EUR

Zur Begründung führte sie aus, dass nach § 15a Abs. 1 RVG in den Fällen, in denen das Gesetz die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vorsehe, der Rechtsanwalt zwar beide Gebühren fordern könne, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag beider Gebühren. Auf die Verfahrensgebühr werde gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Teil 3 VV RVG die gemäß Nr. 2300 VV RVG entstandene Geschäftsgebühr mit 0,75 angerechnet. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss der Urkundsbeamtin vom 31.10.2011 verwiesen.

Mit ihrer Erinnerung richten sich die Ef. gegen die Anrechnung der Geschäftsgebühr in Höhe von 120,75 EUR netto. Sie führen aus, die Anrechnung dieses Betrages sei gegen das Gesetz erfolgt. Dem Rechtsanwalt werde nach § 15a RVG eindeutig ein Wahlrecht eingeräumt, welche Gebühr er fordern könne. Dieses Wahlrecht gelte auch für die Festsetzung der Vergütung für Prozesskostenhilfe durch die Staatskasse. Selbst wenn eine Anrechnung zu Recht erfolgt sei, sei diese der Höhe nach unberechtigt. Denn es sei nicht von einer entstandenen Geschäftsgebühr von 1,5 auszugehen, sondern allenfalls von einer Schwellengebühr in Höhe von 1,3 nach Nr. 2300 VV. Dies habe zur Folge, dass eine Anrechnung allenfalls in Höhe von 0,65 habe erfolgen können.

 

Entscheidungsgründe

Die Erinnerung ist begründet.

Der angefochtene Beschluss vom 31.10.2011 ist rechtswidrig. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die Vergütung unzutreffend unter Anrechnung der Geschäftsgebühr, auf die keine Zahlung erfolgt ist, festgesetzt.

1. Gemäß § 45 Abs. 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt, soweit im 8. Abschnitt des RVG (§§ 44 bis 59 RVG) nicht anderes bestimmt ist, die gesetzliche Vergütung in Verfahren vor Gerichten eines Landes aus der Landeskasse. Die Gebühren des Rechtsanwalts werden gemäß § 2 Abs. 1 RVG nach dem Gegenstandswert berechnet, soweit sich aus dem RVG nichts anderes ergibt. Richten sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert, beläuft sich die Gebühr auf den nach § 13 RVG zu ermittelnden Betrag, der für Streitwerte bis 500.000,00 EUR aus der Gebührentabelle (Anlage 2 zum RVG) ersichtlich ist. Die Höhe der Vergütung, d.h. insbesondere der auf die Gebühr anz...

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