Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerfreiheit eines grenzüberschreitenden Reihengeschäftes: Ausfuhrlieferung, Zuordnung der grenzüberschreitenden Beförderung zu der Lieferung an den Erstabnehmer – Versendung durch den Zweiterwerber nach Übertragung der Verfügungsmacht im Inland
Leitsatz (redaktionell)
- Die Regelungen zum Reihengeschäft - insbesondere § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG – sind unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass es für die Zuordnung der Warenbewegung darauf ankommt, wann und wo welchem Beteiligten die Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, übertragen wurde (vgl. BFH-Urteil vom 25.02.2015 XI R 30/13, BFH/NV 2015, 769).
- Eine Warenlieferung von Deutschland an einen Endabnehmer in Peru im Reihengeschäft kann nicht als steuerfreie Ausfuhrlieferung i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V. m. § 4 Nr. 1 Buchst. a UStG der Lieferung an den Erstabnehmer in Großbritannien zugeordnet werden, wenn die Versendung nach Peru durch eine deutsche Spedition auf Veranlassung des Zweiterwerbers in den USA erfolgt ist, nachdem ihm zuvor die Verfügungsmacht über die noch im Inland befindliche Ware vom Erstabnehmer übertragen worden war.
- Bei der Lieferung an den Erstabnehmer handelt es sich in diesem Fall um eine sog. ruhende (nicht warenbewegte) Lieferung, die die Voraussetzung einer Lieferung in das Drittlandsgebiet nicht erfüllt.
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 6 Sätze 1, 5-6, Abs. 7 S. 2 Nr. 1, § 4 Nr. 1 Buchst. a, b, § 6 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 6 a; MwStSystRL Art. 14, 32 Unterabs. 1, Art. 146 Abs. 1 Buchst. a, b
Streitjahr(e)
2012
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine Lieferung von Ersatz-/ Maschinenteilen im Rahmen eines grenzüberschreitenden Reihengeschäftes (drei Lieferungen, vier Beteiligte) von der Klägerin zu Recht als umsatzsteuerfrei behandelt wurde.
Die Klägerin betreibt ein Einzelunternehmen. Gegenstand des Unternehmens ist Aufzählung technischer Anwendungen/Techniken - Vertrieb- und Service; Aufzählung technischer Arbeiten .
Im September 2012 wurde die Klägerin von der in Großbritannien ansässigen „B (Ltd.)” mit der Lieferung von Ersatzteilen für eine ...maschine beauftragt. Die „B (Ltd.)” war zuvor von der Firma „C (Inc.)” aus den USA mit der Lieferung beauftragt worden. Deren Bestellung erfolgte wiederum für die Firma „D (S.A.)” aus Peru. Die Lieferung der Ware sollte unmittelbar von Deutschland nach Peru erfolgen.
Am 11.10.2012 erteilte die Klägerin der „B (Ltd.)” eine Abschlagsrechnung („Proforma Invoice” No. 01-10/2012, ...) über „ Ersatzteile -…Maschine Peru Angebot - Quotation Pos./Item…”. Danach sollte die „B (Ltd.)” eine A-Conto-Zahlung in Höhe von 30.438,36 EUR leisten. Umsatzsteuer wurde nicht berechnet („Tax 0%”). In der Rechnung heißt es weiter: „Conditions of payment: 30% payment when all goods are ready to ship, 10% payment when all goods have arrived Peru” (...). Die „B Ltd.” zahlte den geforderten Betrag (30.438,36 EUR) in zwei Raten (`15.219,18 EUR am 16.10.2012 und am 17.10.2012).
Am 17.12.2012 fakturierte die Firma „B (Ltd.)” gegenüber ihrem Abnehmer, der Firma „C (Inc.)”, über die Lieferung der Maschinenteile in Höhe von 77.409,28 USD ohne Umsatzsteuer („Final Invoice”, „Invoice Number 1283/01”, „VAT Breakdown”, „Zero rated @ 0.00%”) (...).
Am 19.12.2012 stellte die Klägerin der Firma „B (Ltd.)” die Lieferung von „ Ersatzteile -... Maschine Peru Angebot - Quotation Pos./Item ...” (vgl. Rechnung vom 19.12.2012 Rechnungsnummer 290/1212 (...)) zum Preis von 50.649,90 EUR in Rechnung. Abzüglich der bereits geleisteten A-Conto-Zahlungen war noch ein Restbetrag von 20.211,54 EUR zu zahlen. Umsatzsteuer wurde in der Rechnung nicht gesondert ausgewiesen. Die Rechnung enthielt vielmehr die Zusätze: „Steuerfreie Ausfuhrlieferung nach § 6 UsStG i. V. mit § 4 Nr. 1 a UsSTG” und „Taxfree delivery” „Tax 0%” „Bewegte Lieferung” und die UStIdNr. der Abnehmerin (GB ...). Die „B (Ltd.)” zahlte den gesamten ausstehenden Betrag (20.211,54 EUR) am 19.12.2012 an die Klägerin.
Der Ehemann der Klägerin nahm Kontakt mit der Speditionsfirma E, Stadt F, wegen des Transports der Maschinenteile auf dem Seeweg nach Peru auf. Die Maschinenteile sollten bei einer Verpackungsfirma transportfähig verpackt werden. In der E-mail vom 20.12.2012 an E heißt es u.a.: „Wir benötigen das Angebot für Versendung unverzollt und unversteuert- Kosten zu Lasten des Empfängers oder unseres Auftraggebers in England. Für uns ist das eine - Bewegte Lieferung - Steuerfreie Ausfuhrlieferung nach § 6 UsSTG i. V. m. § 4 Nr. 1a UsSTG.” (...).
Mit Datum vom 20.12.2012 erstellte die Klägerin einen Lieferschein Nr. 959/1212 (5 Seiten) über die einzelnen Maschinenersatzteile (3 Packstücke, Lieferanschrift: „D (S.A.)”, durch Auftrag: „B (Ltd.)”, Rechnungsanschrift: „C (Inc.)”, „Abholung, Versandart: Sped. E” „ab Werk - Unfreisendung - EXW”) (...).
Am 03.01.2013 teilte die Firma „C (Inc.)” der Spe...