Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf der Bestellung als Steuerberater – Ausschluss der Gefährdung von Mandanteninteressen
Leitsatz (redaktionell)
- Es bedarf des Nachweises außergewöhnlicher Umstände, wenn entgegen der in § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG getroffenen Regelung trotz der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerberaters eine Gefährdung von Mandanteninteressen ausgeschlossen werden soll.
- Eine erhebliche Gefährdung von Auftraggeberinteressen liegt bereits vor, wenn die Steuerberatungstätigkeit ohne den erforderlichen Berufshaftpflichtversicherungsschutz ausgeübt wird und förmliche Auskunftsersuchen des Vorstandes der Steuerberaterkammer gemäß § 80 StBerG ohne Angabe von Gründen nicht beantwortet werden.
- Weiterhin zeigt das pflichtwidrige Verhalten in eigenen Steuerangelegenheiten und bei der Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Praxismitarbeiter, dass Mandanteninteressen bei objektiver Betrachtung gefährdet sind.
- Ein Anspruch auf Wiederbestellung als Steuerberater kommt dann nicht in Betracht, wenn der Vermögensverfall noch andauert.
- Die Feststellung, dass der Steuerberater trotz andauernden Insolvenzverfahrens unzweifelhaft in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, kann nicht getroffen werden, wenn sich bei der Gegenüberstellung der monatlichen Einnahmen und Ausgaben eine Unterdeckung ergibt.
Normenkette
StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 4, §§ 67, 76 Abs. 2 Nr. 3, § 80
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf der Bestellung als Steuerberater.
Der am 30.04.1959 geborene Kläger wurde nach bestandener Steuerberaterprüfung am 08.03.1995 zum Steuerberater bestellt. In der Folgezeit betrieb er in F-Stadt eine Steuerberaterpraxis.
Der Kläger befand sich seit dem Jahr 1999 wegen Steuer- und Abgabenrückstände beim Finanzamt F-Stadt in Vollstreckung. Die veranlassten Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger blieben nach Darstellung des Finanzamts F-Stadt zumeist erfolglos. Die auf Grund des am 12.04.2001 gewährten Vollstreckungsaufschubs vereinbarten Ratenzahlungen wurden vom Kläger nicht eingehalten. Die daraufhin durchgeführte Vollstreckung verlief fruchtlos. Da weitere Zahlungen durch den Kläger seit dem 06.06.2001 nicht mehr erfolgten, beantragte das Finanzamt F-Stadt im November 2001 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers. Durch Beschluss des Amtsgerichts F-Stadt vom 01.03.2002 ( ) eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren und bestellte Rechtsanwalt R zum Insolvenzverwalter. Das Insolvenzverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Zum 08.11.2001 beliefen sich die Steuer- und Abgabenrückstände auf 44.414,57 Euro, die sich bis zum 30. Oktober 2002 auf 48.647,14 Euro erhöhten. Zum 9.1.2003 belaufen sie sich auf 49.668,64 Euro.
Für die Jahre 2000 und 2001 gab der Kläger nach Auskunft des Finanzamtes F-Stadt zunächst weder Einkommensteuer- noch Umsatzsteuererklärungen ab, weshalb die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO für diese Jahre geschätzt wurden. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens reichte der Insolvenzverwalter Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2000 und 2001 ein, die zu einer Herabsetzung der Einkommensteuer auf jeweils 0.- DM führte ( Berechnungsmitteilungen des Finanzamtes F-Stadt vom 1.8.2002 und 3.9.2002 ).
Die Beitragsrückstände des Klägers gegenüber dem Versorgungswerk der Steuerberater im Land Nordrhein-Westfalen beliefen sich zum 09.04.2002 auf 26.394,13 Euro. Den gegen die Heranziehung zu Beiträgen an das Steuerberater-Versorgungswerk eingelegten Widerspruch des Klägers wies dieses mit Widerspruchsbescheid vom 29.05.2002 als unbegründet zurück. Klage hiergegen wurde nicht erhoben. Die Beitragsrückstände gegenüber der Steuerberaterkammer betragen 422,95 Euro und die Beitragsrückstände gegenüber dem Steuerberaterverband 298,91 Euro.
In der Vergangenheit übte der Kläger in der Zeit zwischen dem 11.07.2000 und dem 31.12.2000 seine Tätigkeit als Steuerberater ohne den erforderlichen Berufshaftpflichttversicherungsschutz aus.
Wegen dieses Sachverhaltes leitete die Generalstaatsanwaltschaft gegen den Kläger ein berufsgerichtliches Ermittlungsverfahren ein. Mit der Anschuldigungsschrift vom 16.07.2001 wurde dem Kläger vorgeworfen, in der Zeit vom 11.07.2000 bis zum 31.12.2000 seine Berufstätigkeit ohne Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung betrieben zu haben. In die Anschuldigungsschrift wurde außerdem der bekannt gewordene Beschwerdevorfall seiner früheren Mandantin M1 einbezogen.
Dem lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Mit Schreiben vom 19.02.2001 ersuchte Steuerberater S für die frühere Mandantin M1 des Klägers um Vermittlung. Er machte unter anderem geltend, seit der Mandatsübernahme durch ihn, S, im September 2000 sei der Kläger wiederholt erfolglos um Auskunft zum Bearbeitungsstand des Jahresabschlusses 1999 und der Steuererklärung 1999 für die Mandantin M1 gebeten worden. Mandantenunterlagen, die dringend im Rahmen einer anstehenden Betriebsprüfung benötigt würden, gebe der Kläger nicht her...