Entscheidungsstichwort (Thema)
Eine den gemeinnützlichkeitsrechtlichen Vorschriften entsprechende Satzung der Stiftung wirkt auch steuerrechtlich auf den Tag nach dem Todestag der Stifterin zurück
Leitsatz (redaktionell)
Die Steuerbefreiung einer durch Verfügung von Todes wegen errichteten Stiftung erstreckt sich auch auf die Vermögenserträge zwischen dem Todestag des Stifters und der rückwirkenden staatlichen Genehmigung des Stiftungsgeschäfts sowie der nachträglich erstellten Satzung, soweit die unwiderrufliche Vermögensbindung zu gemeinnützigen Zwecken bereits durch das Testament begründet wird.
Normenkette
KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9; AO §§ 51, 60 Abs. 1-2; BGB § 80 S. 1, §§ 84, 1922, 1960; StiftungsG NRW § 5 Abs. 1
Streitjahr(e)
1995, 1996, 1997, 1998
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob sich die Steuerbefreiung einer Stiftung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftsteuergesetz (KStG) in Verbindung mit §§ 51 ff. Abgabenordnung (AO) auch auf Einkünfte erstreckt, die bei einer Errichtung der Stiftung durch Verfügung von Todes wegen im Zeitraum zwischen dem Todestag des Stifters und der Erstellung der Stiftungsurkunde erzielt wurden.
Nach dem privatschriftlichen Testament der am 17.09.1994 verstorbenen A (geb. B) sollte das gesamte Vermögen der Familie B-A als Ausstattung einer Stiftung dienen. Wegen des Inhalts der letztwilligen Verfügung im Einzelnen wird auf die zu den Akten gereichte Kopie des Dokuments vom 04.05.1986 verwiesen. Der Erbschein des Amtsgerichts vom 12.04.1995 (Az. 10 VI 37/95) weist eine „noch zu gründende Stiftung des Vermögens der Familien A-B” als (Allein-) Erbin aus. In der Folgezeit ersuchte der Nachlasspfleger und späterer Vorstand der Stiftung, Rechtsanwalt C, das Amtsgericht D-Stadt - Nachlassgericht -, die Genehmigung der Stiftung zu beantragen. Wegen Einzelheiten wird auf die Präambel vom 23.09.1998 und die Stiftungssatzung vom 27.10.1998 verwiesen. Am 12.11.1998 genehmigte die Bezirksregierung E-Stadt die Stiftung unter Hinweis auf ein „Stiftungsgeschäft vom 23.09.1998 und die Stiftungssatzung vom 27.10.1998”.
Zum Nachlass gehörten Kapitalforderungen. Der Beklagte unterwarf die auf den Zeitraum zwischen dem Todestag der Erblasserin (17.9.1994) und dem Tag vor der Errichtung der Stiftungssatzung (26.10.1998) entfallenden Zinsen der Körperschaftsteuer. Nach Anrechnung der Kapitalertragsteuer ergab sich für Jahr 1994 bei einer Körperschaftsteuer von 0 DM ein Erstattungsbetrag, für die Streitjahre 1995 bis 1998 jeweils Nachzahlungsbeträge. Wegen der Höhe der Kapitaleinkünfte wird auf die Körperschaftsteuerbescheide vom 05.08.1999 Bezug genommen.
Für die Zeit ab 27.10.1998 erkannte der Beklagte die Stiftung auf der Grundlage der eingereichten Satzung als gemeinnützig an.
Gegen die an ein „unselbständiges Zweckvermögen” gerichteten Körperschaftsteuerbescheide hat die Klägerin nach erfolglosen Einsprüchen Klage erhoben, zu deren Begründung sie vorträgt:
Sie sei bereits ab dem Todestag der Stifterin gemeinnützig. Dies ergebe sich bereits aus der Regelung des § 84 BGB, der eine Fiktion für die Existenz einer erst nach dem Todesfall genehmigten Stiftung anordne. Die Besteuerung sei auch nicht zweckgerecht, da sie das Stiftungsvermögen schmälere.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung der Körperschaftsteuerbescheide für 1995 bis 1998 vom 05.08.1999 die Körperschaftsteuer auf 0 Euro herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, dass ab dem Todestag der Stifterin bis zu dem Zeitpunkt, an dem erstmals eine Satzung auf der Grundlage von §§ 51 ff. AO errichtet wurde, ein eigenständiges Steuersubjekt in Gestalt eines unselbständiges Zweckvermögen vorliege. Da für dieses Steuersubjekt eine den Gemeinnützigkeitsvorschriften entsprechende Satzung nicht vorgelegt worden sei, sei dieses Vermögen und die daraus erzielten Erträge steuerpflichtig. § 60 Abs. 2 AO verlange, dass die formelle Satzungsmäßigkeit während des gesamten Veranlagungszeitraums vorliege und verbiete damit ausdrücklich eine Rückwirkung bis auf den Todestag der Stifterin.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
1. Die den gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorschriften entsprechende Satzung der Stiftung wirkt auch steuerrechtlich auf den Tag nach dem Todestag der Stifterin zurück. Eine Besteuerung der erzielten Erträge aus Kapitalvermögen bei dem „unselbständigen Zweckvermögen” scheidet damit aus.
Zutreffend weist der Beklagte allerdings darauf hin, dass das tatsächliche Bestreben, gemeinnützige Zwecke zu verfolgen, für die Gewährung von Steuervergünstigungen nicht ausreicht und die Körperschaft vielmehr auch nach ihrer „Verfassung” - der Satzung - auf diese Zweckverfolgung hin ausgerichtet sein muss. Denn nur die in § 60 Abs. 1 AO formulierte „formelle Satzungsmäßigkeit” gewährleistet eine Kontinuität dieser Zweckverfolgung und eine einerseits durch die Finanzbehörden nachprüfbare und andererseits für die Organe der Körperschaft notwendige Grundlage für den tatsächlichen Mitteleinsatz. Dies brin...