Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinzurechnung von Kindergeld trotz Verzicht – Maßgeblichkeit des Kindergeldanspruchs im Veranlagungszeitraum
Leitsatz (redaktionell)
- § 31 Satz 4 EStG in der für das Jahr 2004 geltenden Fassung des Steueränderungsgesetzes vom 15.12.2003 stellt in Abkehr von der bis zum Jahr 2003 geltenden Gesetzesfassung für die Hinzurechnung des Kindergeldes auf die tarifliche Einkommensteuer im Rahmen der Günstigerprüfung nicht mehr auf die Festsetzung und tatsächliche Zahlung des Kindergeldes, sondern auf den Anspruch auf Gewährung von Kindergeld ab.
- Es ist daher unerheblich, ob auf das Kindergeld verzichtet worden ist und ob der Anspruch verfahrensrechtlich noch durchgesetzt werden kann.
- Die Hinzurechnung wird auch nicht durch die Festsetzungsverjährung des Kindergeldanspruches ausgeschlossen, da allein der im einkommensteuerlichen Veranlagungszeitraum zeitgleich abstrakt bestehende Kindergeldanspruch maßgeblich ist.
Normenkette
EStG § 31 S. 4; AO § 37 Abs. 1, §§ 47, 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1
Streitjahr(e)
2004
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Hinzurechnung von Kindergeld im Rahmen der Günstigerprüfung nach § 31 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Veranlagungszeitraum 2004, nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit bezüglich des Veranlagungszeitraums 2003 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.
Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden.
Der Einkommensteuerbescheid-Änderungsbescheid 2003 vom 01.04.2008 enthält eine Hinzurechnung von Kindergeld für den am 19.04.2000 geborenen Sohn „N” in Höhe von 1.848 Euro.
Der nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Einkommensteuerbescheid 2004 vom 14.03.2008, in dem der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wird, und der weitere Einkommensteuer-Änderungsbescheid 2004 vom 01.04.2008 weisen eine Hinzurechnung von Kindergeld für den Sohn „N” in Höhe von 1.848 Euro und für die am 09.06.2004 geborene Tochter „E” in Höhe von 1.078 Euro aus.
Gegen die Bescheide legten die Kläger am 07.04.2008 Einspruch ein, ohne diesen zu begründen. Der Beklagte wies den Einspruch in der Einspruchsentscheidung vom 02.06.2008 als unbegründet zurück.
Gegen die Einspruchsentscheidung haben die Kläger am 27.06.2008 Klage erhoben, zu deren Begründung sie vortragen: Die Hinzurechnungen von Kindergeld für die Kinder „N” und „E” seien zu Unrecht vom Beklagten vorgenommen worden. Für beide Kinder sei weder ein Kindergeldantrag gestellt noch Kindergeld bezogen worden. Im Veranlagungs- bzw. Einspruchsverfahren seien Verzichte auf das Kindergeld für beide Kinder erklärt worden. Zudem seien die Ansprüche mittlerweile verjährt. Soweit nach der für das Streitjahr 2004 geltenden Gesetzesfassung es für die Anrechnung genüge, dass ein Anspruch auf Kindergeld bestehe, sei zu berücksichtigten, dass ein Anspruch nur bestehe, wenn er nicht z. B. durch Verjährung oder Verzicht erloschen sei. Ein nicht mehr bestehender Anspruch könne nicht Grundlage für eine Anrechnung sein. Nach der Gesetzeslage komme es nicht darauf an, ob irgendwann einmal ein Anspruch bestanden habe, sondern ob der Anspruch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch bestehe.
Auf Anfrage des Gerichts hat die Familienkasse „A-Stadt” mit Schreiben vom 01.10.2009 und 22.12.2009 mitgeteilt, dass für die Kalenderjahre 2003 und 2004 kein Kindergeld von den Klägern bezogen worden sei.
Der Beklagte hat unter dem 21.12.2009 zur Einkommensteuer 2003 einen Abhilfebescheid erlassen, in dem von der Hinzurechnung des Kindergeldes für den Sohn „N” abgesehen wird. Die Beteiligten haben daraufhin das Verfahren bzgl. der Einkommensteuer 2003 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, die Kosten des Verfahrens dem jeweils anderen Beteiligten aufzuerlegen.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 01.04.2008 dahingehend zu ändern, dass die Hinzurechnung des Kindergeldes für die Kinder „N” und „E” in Höhe von insgesamt 2.926 Euro aufgehoben wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor: § 31 Satz 4 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung des Steueränderungsgesetzes vom 03.12.2003 sehe aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und mit Rücksicht auf den bis zur Verjährungsgrenze möglichen Kindergeldanspruch nicht mehr die Verrechnung des gezahlten Kindergeldes, sondern die Verrechnung des Kindergeldanspruchs mit den Freibeträgen für Kinder vor. Auch wenn für die Kinder „N” und „E” kein Kindergeld gezahlt worden sei, sei für die Hinzurechnung allein der Anspruch entscheidend.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen sowie der Steuerakten Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Der Senat war im Hinblick auf das von den Beteiligten erklärte Einverständnis nach § 90 Abs. 2 der Finanzgerichts...