Entscheidungsstichwort (Thema)
Zollpflichtige Einfuhr einer Brille im Reisegepäck
Leitsatz (redaktionell)
- Eine bei einem Urlaubsaufenthalt in der Türkei erworbene Brille, deren der Warenwert (690 EUR) die Wertgrenze des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b der Einreise-Freimengen-Verordnung – EF-VO – von 430 EUR überschreitet, ist bei Einfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft im persönlichen Gepäck des Reisenden zoll- und anmeldepflichtig.
- Bei der Wertgrenze von 430 EUR handelt es sich nicht um einen Freibetrag, der anteilig vom Zollwert der Brille abgezogen werden könnte.
- Die Wertgrenze des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b EF-VO kann nicht mit der Anzahl der zusammen einreisenden Personen multipliziert werden. Sie steht nur jedem Reisenden einzeln zu.
- Wird die Brille durch das Benutzen des grünen Ausgangs für anmeldefreie Waren vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht und dadurch zumindest eine leichtfertige Steuerverkürzung begangen, kann ein Zollzuschlag nach § 32 Abs. 3 ZollVG festgesetzt werden.
Normenkette
ZK Art. 29 Abs. 1, Art. 202 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3 Anstrich 1; UStG § 21 Abs. 2; ZKDVO Art. 230 Abs. 1 Buchst. a, Art. 233 Abs. 1 Buchst. a Anstrich 1; EF-VO § 1 Abs. 1, 2 Nr. 5, § 2 Abs. 1 Nrn. 2, 5, Abs. 2; VO (EG) Nr. 1186/2009 Art. 41; ZollVG § 32 Abs. 3; AO § 370 Abs. 1 Nr. 2, § 378 Abs. 1 S. 1
Streitjahr(e)
2010
Tatbestand
Der Kläger verbrachte im November 2010 mit Frau A einen Urlaub in der Türkei. Dort erwarb er am 13. November 2010 eine Brille, die er sich von einem Optiker in der Türkei hatte anfertigen lassen.
Der Kläger reiste am 14. November 2010 mit A aus der Türkei kommend über das Zollamt X in das Zollgebiet der Gemeinschaft ein. Er benutzte den grünen Ausgang für anmeldefreie Waren. Dabei trug er die von ihm in der Türkei erworbene Brille. Nach dem Durchschreiten des grünen Ausgangs befragte ihn der Zollbeamte M nach mitgebrachten Waren. Der Kläger erklärte, keine Waren aus der Türkei mitgebracht zu haben. Auf die Frage des Zollbeamten, ob er in der Türkei eine neue Brille gekauft habe, bestätigte er, eine Gleitsichtbrille im Wert von 410 EUR gekauft zu haben. Nachdem der Zollbeamte ihn darauf hingewiesen hatte, dass neue Waren ab einem Wert von 430 EUR pro Person anmeldepflichtig seien, erklärte der Kläger nochmals, dass seine Brille nur 410 EUR gekostet habe. Der Zollbeamte durchsuchte schließlich den Rucksack des Klägers und fand darin die Rechnung für die Brille über 690 EUR. Der in der Türkei ansässige Optiker hatte auf der Rechnung quittiert, den Betrag von 690 EUR erhalten zu haben.
Das beklagte Hauptzollamt – Zollamt X – setzte gegen den Kläger unter Anwendung eines pauschalierten Abgabensatzes von 17,5 % Einfuhrabgaben von 120,75 EUR und einen Zuschlag nach § 32 Abs. 3 des Zollverwaltungsgesetzes (ZollVG) von 120,75 EUR fest. Die Abgabenfestsetzung wurde dem Kläger mündlich bekannt gegeben.
Der Kläger trug mit seinem hiergegen eingelegten Einspruch vor: Er habe sich die Gleitsichtbrille in der Türkei anfertigen lassen, weil die von ihm in den Urlaub mitgenommene Brille verkratzt worden sei. Bei der Berechnung der Einfuhrabgaben und des Zuschlags sei der Freibetrag von 430 EUR nicht berücksichtigt worden. Dieser Freibetrag habe ihnen zweimal zugestanden, so dass sie Waren im Wert bis zu 860 EUR abgabenfrei hätten einführen können. Stattdessen seien die Einfuhrabgaben und der Zuschlag „knallhart vom Bruttowert der Brille in Höhe von 690 EUR” erhoben worden.
Das beklagte Hauptzollamt wies den Einspruch zurück und führte aus: Der Kläger habe die Brille nicht abgabenfrei einführen können, weil die Wertgrenze von 430 EUR überschritten worden sei. Der Wert der Brille dürfe nicht aufgeteilt werden. Die Wertgrenzen mehrerer Reisender könnten bei einer unteilbaren Ware nicht addiert werden. Da der Kläger zumindest eine leichtfertige Steuerverkürzung begangen habe, habe ein Zuschlag festgesetzt werden dürfen. Der Zuschlag sei auch der Höhe nach zu Recht festgesetzt worden.
Der Kläger wiederholt mit seiner Klage sein Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 14. November 2010 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Dezember 2010 aufzuheben.
Das beklagte Hauptzollamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es auf seine Einspruchsentscheidung.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 25. März 2011 eine von A unter dem 25. März 2011 unterzeichnete eidesstattliche Erklärung vorgelegt, auf die Bezug genommen wird (Bl. 23 der Gerichtsakte).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 14. November 2010 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Dezember 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Für die vom Kläger aus der Türkei in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachte Brille ist nach Art. 202 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex – ZK –) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des