Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungswirkung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Hamburgischen Spielgerätesteuergesetz
Leitsatz (amtlich)
Das Gericht ist auch an die Anordnung der weiteren Anwendbarkeit des mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren § 4 Abs. 1 Hmb SpStG gebunden. Für eine erneute Vorlage an das Bundesverfassungsgericht besteht kein Raum
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; SpStG § 4 Abs. 1; BVerfGG § 31
Tatbestand
Die Klägerin betrieb zwei Spielhallen in der x-Straße in Hamburg. Von Januar bis Juli 1999 hatte sie dort 18 und ab August 1999 16 automatische Spielgeräte mit Geldgewinnmöglichkeit aufgestellt. Zum 15.02.2000 verkaufte die Klägerin die Doppelspielhalle mit Inventar für 100.000 DM.
Die Klägerin gab am 08.06.1999 eine Spielgerätesteueranmeldung für Januar 1999 über 10.800 DM (18 Geräte mal 600 DM) ab. Am 03.08.1999 meldete sie für den Zeitraum ab August 1999 Spielgerätesteuer von 9.600 DM (16 Geräte mal 600 DM) an. Auf den beiden Formularen hatte sie den gesondert von ihr unterzeichneten Zusatz hinzugefügt: "Hiermit erhebe ich Einspruch gegen die Spielgerätesteuer." Mit Einspruchsentscheidung vom 04.10.1999 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück.
Am 29.10.1999 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, dass die Erhebung der Spielgerätesteuer als Pauschalsteuer verfassungswidrig und aus Praktikabilitätsgründen auch nicht geboten sei. Die pauschale Erhebung der Steuer pro Spielgerät führe je nach Nutzung des Gerätes durch die Spieler zu einer sehr unterschiedlichen Belastung der Roheinnahmen aus dem Gerät. (Im Einzelnen wird auf die von der Klägerin hierzu eingereichten Erhebungen und Auswertungen Bezug genommen). Darüber hinaus führe die Pauschalbesteuerung dazu, dass es sich bei der Spielgerätesteuer um eine verdeckte "Maschinensteuer" handle. Denn durch die Festlegung des Einsatzes, der Spieldauer, der Gewinnquote und der Nutzungsdauer der Geräte in der Spielverordnung (vgl. BGBl I 1962, 153 in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.12.1985, BGBl I 1985, 2245 - SpielVO) habe der Spielgeräteaufsteller keinen Spielraum, die Steuer von dem Spielgast zu erheben. Die in der Rechtsprechung entwickelte kalkulatorische Abwälzbarkeit der Spielgerätesteuer auf den Spielgast sei tatsächlich nicht gegeben. Schließlich sei die Spielgerätesteuer auch deshalb verfassungswidrig, weil sie erdrosselnd sei und gegen Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstoße.
Mit Beschluss vom 26.04.2005 hat der damals zuständige VII. Senat des Finanzgerichts eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darüber eingeholt, ob § 4 Abs. 1 Hamburgisches Spielgerätesteuergesetz (SpStG) vom 29.06.1988 in der Fassung der Änderung vom 07.12.1994 mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb ungültig sei.
Das BVerfG hat am 04.02. 2009 entschieden, dass § 4 Abs. 1 SpStG mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sei. Die Vorschrift bleibe für den Zeitraum bis zum Außerkrafttreten des Spielgerätesteuergesetzes am 01.10.2005 weiter anwendbar (1 BvL 8/05) (auf die Entscheidungsgründe wird im einzelnen Bezug genommen).
Die Klägerin führt im Anschluss an dem Beschluss vom 04.02.2009 aus, dass das BVerfG keine überzeugende Begründung geliefert habe. Die Feststellung, dass das SpStG mit Art. 3 GG nicht vereinbar sei, erwachse in Rechtskraft. Die Entscheidung über die Fortgeltung des SpStG hingegen nicht. Dies sei auch nicht Gegenstand der Vorlagefrage gewesen. Der Ausspruch zur Fortgeltung sei auch rechtswidrig. Das Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) gestatte dem BVerfG weder nach seinem Wortlaut noch nach seinem Sinn und Zweck, die Fortgeltung eines verfassungswidrigen Gesetzes über viele Jahre hinweg anzuordnen. Auch die Entstehungsgeschichte zeige, dass dem BVerfG nicht die Kompetenz habe eingeräumt werden sollen, die Fortgeltung von Gesetzen anzuordnen, und dass ein solcher Ausspruch trotz Veröffentlichung im Gesetzesblatt nicht Gesetzeskraft entfalte. Das BVerfG sei nicht ermächtigt, mehr Rechte für sich in Anspruch zu nehmen, als ihm vom Gesetzgeber eingeräumt worden seien. Das BVerfG habe mit seiner Entscheidung zur Fortgeltung seine Kompetenz überschritten mit der Folge, dass das Finanzgericht Hamburg hieran nicht gebunden sei. Es gebe insbesondere keine haushälterischen Gründe für einen Fortgeltungsanspruch, weil die Freie und Hansestadt Hamburg in ihrem Haushalt die zu erstattenden Steuerbeträge zurückgestellt habe. Der Ausspruch über die Fortgeltung widerspräche dem Rechtsstaatsgebot. Aufgabe des BVerfG sei es, die Einhaltung der Verfassung zu garantieren. Eine eigenmächtige Ausweitung der Kompetenzen sei schon deshalb nicht akzeptabel, weil das BVerfG keiner weiteren Kontrolle unterliege. Auch sei die Begründung für die Fortgeltung nicht nachvollziehbar, denn das Gericht begründe die Fortgeltung u. a. mit der Gerechtigkeit gegenüber den Spielgästen. Es lägen inzwischen mehrere Entscheidungen aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit vor, die keine Fortgeltung wie das BVerfG anordneten und insowei...