rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermäßigter Steuersatz für Zeitschriften
Leitsatz (amtlich)
Eine Special-Interest-Zeitschrift (hier auf dem Gebiet der Immobilien) unterliegt dem ermäßigten Steuersatz, wenn die Zeitschrift nach Gesamtwürdigung von Aufmachung, Inhalt und erkennbarem Herausgabezweck nicht überwiegend Werbung enthält, d. h. richtlinienkonform ausgelegt: nicht im Wesentlichen Werbezwecken dient.
Auch verfassungsrechtlich setzt der zum Regelsteuersatz zurückführende Ausnahmetatbestand eine eindeutig mögliche Abgrenzung des Werbemittelcharakters voraus, wie nach Zielsetzung, Inhalt und Verteilungsart.
Wenn allein auf eine zeitweise Überschreitung eines 50 % Anzeigenanteils abgestellt würde, bestünde ein strukturelles Erhebungsdefizit.
Normenkette
GG Art. 3, 5; UStG § 12 Abs. 2 Nr. 1; EG-MWStSystRL Art. 98 Abs. 2 Anhang III Nr. 6
Tatbestand
A.
Streitig ist im Rahmen der Umsatzsteuer, ob der Verkauf einer Zeitschrift dem Regelsteuersatz oder dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen ist, und zwar gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) i.V.m. Nr. 49 Bstb. b der Anlage 2 zu § 12 UStG:
"Liste der dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Gegenstände ...
49. ...b) Zeitungen und andere periodische Druckschriften, auch mit Bildern oder Werbung enthaltend (ausgenommen Anzeigenblätter, Annoncen-Zeitungen und dergleichen, die überwiegend Werbung enthalten)."
In der entsprechenden Regelung der (bis 2006 geltenden) Sechsten Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (Sechste EG-USt-Richtlinie) heißt es in deren Art. 12 Abs. 3 Bstb. a i.V.m. Anhang H Kategorie 6 (ab 2007: Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem - EG-MWStSystRL - Art. 98 Abs. 2 i.V.m. Anhang III Nr. 6):
"Verzeichnis der Gegenstände und Dienstleistungen, auf die ermäßigte MwSt-Sätze angewandt werden können: ...
6. Zeitungen und Zeitschriften, mit Ausnahme von Druckerzeugnissen, die vollständig oder im wesentlichen Werbezwecken dienen."
I.
Die Zeitschrift "B" wurde in den Streitjahren 1991-2000 von der Rechtsvorgängerin der Klägerin herausgegeben. Mit Wirkung ab 1. Januar 2001 übertrug die Rechtsvorgängerin die Rechte auf einen anderen Verlag. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin war eine GmbH & Co KG. Deren Vermögen übernahm mit Ausscheiden des Kommanditisten per 1. Januar 2006 im Wege der Anwachsung die Komplementär-GmbH - die Klägerin - (Finanzgerichts-Akte - FG-A - Bl. 3, 9, 43 ff, 109 ff).
II.
1. Bei der Zeitschrift "B" - mit dem Untertitel ursprünglich "..." und jetzt "..." - handelt es sich um ein Immobilienmagazin, das aus redaktionellen Beiträgen und Anzeigen besteht und in anspruchsvoller Heftaufmachung verkauft wird.
a) Die Titelblätter sind mit einzelnen oder mehreren Immobilien bebildert und enthalten eine Reihe von Themen-Schlagzeilen über wichtige Artikel. In unterschiedlicher Form wird daneben auf den Titelblättern gelegentlich auch auf Anzeigen hingewiesen, wie etwa ... mit ... Schrägaufdruck "Neu / Jetzt mit vielen ...-Immobilien", ... mit ... Randzeile "über ... Angebote" oder ... mit der Hervorhebung "... Angebote aus aller Welt".
b) Die redaktionellen Beiträge stammen aus der eigenen Redaktion und sind gründlich recherchiert, aktuell sowie mit eindrucksvollen Farbbildern versehen. Berichtet wird über Gegenden im In- und Ausland mit den dortigen Immobilien, insbesondere über architektonisch interessante und schön gelegene Wohnimmobilien, über die Preislagen an den verschiedenen Immobilienmärkten sowie über zahlreiche andere aktuelle Themen im Zusammenhang mit Immobilien (z. B. länderspezifisches Vertrags- und Steuerrecht, Umweltschutz, Baufinanzierung, Fonds-Analysen).
Gelegentlich wird auch eine Anzahl von konkreten Immobilien mit Kauf-, Bau- oder Mietpreisen oder Ortsangaben redaktionell bewertet oder zu Vergleichszwecken gegenübergestellt, wie etwa nach den Titelschlagzeilen ... "Die ... schönsten Ferienhäuser der Welt zum Mieten" oder in ... "Bauen ... 100 Traumhäuser".
In der Redaktion sollen 9 Angestellte und 20 freie Mitarbeiter beschäftigt bzw. bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin beschäftigt gewesen sein (FG-A Bl. 12).
c) Bei den Anzeigen ist zu unterscheiden zwischen den Immobilieninseraten einerseits und der sonstigen Werbung andererseits. Bei der Immobilienwerbung handelt es sich weitgehend um Verkaufsinserate und überwiegend um gewerbliche Anzeigen. Die übrige Werbung richtet sich wie in anderen Zeitschriften an das vermutlich oder erhofft zahlungskräftige oder anlageinteressierte Publikum.
d) Redaktionelle Beiträge und Immobilieninserate beziehen sich teilweise auf die für die deutschen Leser interessanten identischen, überwiegend europäischen Regionen. Im Hinblick auf die Lage als wichtige Eigenschaft von Immobilien sind in den Streitjahren die meisten Inserate nach Gebieten sortiert und sind ihnen redaktionelle Länderberichte vorangestellt oder sind große Teile der Hefte geografisch gegliedert, zum Beispiel ... .
2. Die Zeits...