Entscheidungsstichwort (Thema)
Einfuhrumsatzsteuer folgt dem Zollrecht
Leitsatz (amtlich)
Eine Einfuhr im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG liegt auch dann vor, wenn eine Nichtgemeinschaftsware aus einem Zolllager entfernt und der zollamtlichen Überwachung entzogen, später aber wiederausgeführt wird.
Normenkette
ZK Art. 203-204; ZKDV Art. 512; UStG § 1 Abs. 1 Nr. 4, §§ 5, 21 Abs. 2
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Festsetzung von Zoll und Einfuhrumsatzsteuer (EUSt). In der Sache geht es darum, ob für wiederausgeführte Drittlandswaren Einfuhrabgaben festgesetzt werden dürfen im Hinblick darauf, dass die Klägerin, die die Ware in ihr Zolllager genommen hatte, zollrechtliche Bestandsaufzeichnungen nicht korrekt geführt hatte und die zollrechtliche Bestimmung der Wiederausfuhr erst verspätet erfolgt war.
1. Die Klägerin befasst sich seit Oktober 2005 mit der Lagerung von Waren und der Distribution dieser Waren; zunächst nur in dem Lager "X-Straße, Hamburg". Im März 2006 erhielt die Klägerin hierfür die Bewilligung eines Zolllagers Typ D. Die Klägerin mietete ab 1. Juli 2006 ein weiteres Lager "Y-Straße, Hamburg" an und erhielt hierfür die zollrechtliche Bewilligung eines Zolllagers Typ C. Von dem vorherigen Mieter und Betreiber des Lagers übernahm die Klägerin neben Personal und Anlagen, so unter anderem die Lagersoftware, auch den Hauptkunden, die Firma K. In dem Zolllager "Y-Straße" nahm die Klägerin im Transit befindliche Waren ihrer Kunden auf und stellte sie zu Sendungen in verschiedene osteuropäische Länder zusammen. Die Lagerdauer betrug durchschnittlich mehr als sechs Wochen. Die jeweiligen Sendungen sind von in den Bestimmungsländern ansässigen Fuhrunternehmen ab Lager der Klägerin übernommen worden. Zollrechtliche Bestandsaufzeichnungen erfolgten in beiden Lagern bewilligungsgemäß mit einem EDV-Programm "A". Dieses Programm wurde auch für die Erstellung von Zollanmeldungen benutzt. Daneben verwendete die Klägerin noch eine Speditionssoftware (B) und eine Lagersoftware (C).
2. a) Bei der Klägerin wurde eine Zollprüfung durchgeführt, die die Verfahren für den Hauptkunden K in dem Zolllager "Y-Straße" in dem Zeitraum 1. Juli bis 31. Dezember 2006 umfasste. Die Prüfung stellte unter anderem bei Verprobung der so genannten Loadingreports fest, dass Entnahmen aus dem Zolllager in den zollrechtlich vorgeschriebenen Bestandsaufzeichnungen nicht zeitnah, sondern entweder erst mit einer zeitlichen Verzögerung - bis 126 Tage nach der Entnahme - oder gar nicht erfasst worden waren. Ein Teil der in den Bestandsaufzeichnungen nicht erfassten Entnahmen konnte allerdings im Lagerwirtschaftssystem der Klägerin nachvollzogen werden. Für einen Teil der Waren konnte der Nachweis erbracht werden, dass sie nach der Entnahme eine neue zollrechtliche Bestimmung erhalten hatten. Für einen Teil derjenigen Waren, für die der Nachweis der neuen zollrechtlichen Bestimmung erbracht wurde, blieb für die Prüfung unklar, wo sie zwischen Entnahme und Erhalt der neuen Bestimmung verblieben waren. Die Prüfung gliederte die beanstandeten Vorfälle in 7 Gruppen:
Entnahme in A |
Nachweis einer neuen zollrechtlichen Bestimmung |
Ungeklärter Verbleib zwischen Entnahme und Erhalt einer neuen Bestimmung |
1 |
verspätet |
Nein |
|
2 |
verspätet |
Ja - 3 bis 18 Tage nach der Entnahme |
Ja |
3 |
Nein |
Nein |
|
4 |
Nein (aber Lagerwirtschaftssystem) |
Ja - 4 bis 8 Tage nach der Entnahme |
Ja |
5 |
verspätet |
Ja - nach der Entnahme |
Nein |
6 |
Nein (aber Lagerwirtschaftssystem) |
Ja - nach der Entnahme |
Nein |
7 |
verspätet |
Ja - nach der Entnahme |
Nein |
Die Gruppe 7, die ihren Merkmalen nach der Gruppe 5 entspricht, ist nachträglich gebildet worden, nachdem der Nachweis der zollrechtlichen Bestimmung für einen Teil der bis dahin in Gruppe 1 erfassten Waren doch noch erbracht worden war.
b) Für jede dieser Gruppen wurde sodann ein Abgabenbescheid erlassen, in dem Zoll-EU und EUSt festgesetzt wurde, und zwar für die Gruppen 1 bis 4 nach Art. 203 Zollkodex (ZK), für die Gruppen 5 bis 7 nach Art. 204 ZK. Das Gesamtvolumen der aufgrund der Feststellungen in dem Prüfungsbericht festgesetzten Einfuhrabgaben betrug ursprünglich rund EUR ... Zoll-EU und EUR ... EUSt, zusammen rund EUR ....
c) Streitgegenstand ist in diesem Verfahren der Einfuhrabgabenbescheid vom 26. Juni 2008, in dem für die Fälle der Gruppe 2 zunächst Einfuhrabgaben in Höhe von EUR ... Zoll-EU und EUR ... EUSt wegen Entziehung der Ware aus der zollamtlichen Überwachung gemäß Art. 203 ZK festgesetzt wurden. Die Waren sind erst 3 bis 18 Tage nach der Entnahme aus dem Zolllager gestellt worden - in 9 von 10 Fällen bei der für die Beendigung des Zolllagerverfahrens der Klägerin zuständigen Zollstelle - dem HZA Hamburg-1 Zollamt-2 - und in einem Fall dem HZA D (Zollamt E). Mit der Gestellung sind Zollanmeldungen zur Überführung in das Versandverfahren T1 bzw. Carnet TIR abgegeben worden. In den Bestandsaufzeichnungen des Zolllagers (Programm A) erfolgte die Buchung der Entnahme erst zu einem verspäteten Zeitpunkt.
d) Ihren fristgerecht eingelegt...