Entscheidungsstichwort (Thema)
Ernstlicher Zweifel am Ausschluss pflanzlicher Milchersatzprodukte vom ermäßigten Steuersatz
Leitsatz (redaktionell)
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes allein auf tierische Milchprodukte, nicht jedoch auf pflanzliche Milchersatzprodukte nicht gegen den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der steuerlichen Wettbewerbsneutralität verstößt.
Normenkette
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 1 Anl. Nr. 52; UStG Anlage 1 Nr. 35; EWGRL 388/77 Art. 12 Abs. 3, 3 Buchst. a, Abs. 3 Buchst. a Uabs 3; EWGRL 388/77 Anhang H Nr. 1; UStG § 12 Abs. 2
Tatbestand
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die von der Antragstellerin vorgenommene Lieferung sogenannter Milchersatzprodukte dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG unterliegt, insbesondere ob diese Milchersatzprodukte zu den in der genannten Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG aufgeführten Gegenständen gehören.
Die Antragstellerin verkauft und liefert sogenannte Milchersatzprodukte. Dabei handelt es sich um aus Soja, Reis oder Hafer gewonnene Flüssigkeiten, die als Substitut für trinkbare Kuhmilch eingesetzt werden. Die Milchersatzprodukte dienen insbesondere der Versorgung von Personen, die unter einer Überempfindlichkeit gegen Milchzucker (sogenannte Laktose-Überempfindlichkeit) oder einer Kuhmilcheiweißallergie leiden. Für Personen mit überhöhtem Cholesterinspiegel hat die aktiv cholesterinsenkende Wirkung der Sojamilcheiweiße wesentliche Bedeutung. Die pflanzlichen Milchersatzprodukte verfügen ebenso wie tierische Milch über den für die Verbraucher maßgeblichen gleichen Eiweißgehalt, die gleiche Menge an Kohlenhydraten sowie über vergleichbare Mengen an Mineralstoffen. Die Milchersatzprodukte werden ebenso wie tierische Milch darüber hinaus zum direkten Verzehr, zur Zubereitung anderer Lebensmittel, für Nachspeisen oder zur Beigabe für Kaffee und Tee verwendet. Schließlich ähneln sich beide Produkte hinsichtlich ihrer Beschaffenheit und ihres Aussehens.
Die Antragstellerin unterwarf u.a. auch für das II. Quartal 2002 den Verkauf dieser Milchersatzerzeugnisse dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG.
Im Rahmen einer am 12.03.2002 für den Voranmeldungszeitraum Januar bis Dezember 2001 angemeldeten und am 30.09.2002 für den Zeitraum I. und II. Quartal 2002 erweiterten Umsatzsteuersonderprüfung gelangte der Antragsgegner zu der Auffassung, dass es sich bei den betreffenden Milchersatzprodukten nicht um solche Waren handele, die in der Liste der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG als dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Gegenstände aufgeführt seien und dehalb auch nicht dem ermäßigten Steuersatz von 7 % zu unterwerfen seien.
Im Rahmen des Umsatzsteuersonderprüfungsberichts vom 21.10.2002 wies der Antragsgegner darauf hin, dass die Umsätze aus dem Verkauf der von der Antragstellerin produzierten Milchersatzprodukte dem ermäßigten Steuersatz unterworfen worden seien. Der ermäßigte Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 UStG sei jedoch nur anzuwenden, wenn das Produkt in der Liste der Anlage zu § 12 Abs. 2 UStG aufgeführt sei. Dies sei jedoch nicht der Fall. Insbesondere seien die von der Antragstellerin produzierten und vertriebenen Produkte nicht dem Kapital 21 des Zolltarifs zuzuordnen. Auch Position 22.02 des Zolltarifs könne nicht herangezogen werden, da es sich insoweit nicht um ein Milchmischgetränk handele. Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes sei daher nicht möglich und die betreffenden Umsätze der Regelbesteuerung zu unterwerfen.
Auf der Grundlage dieses Umsatzsteuersonderprüfungsberichts erließ der Antragsgegner sodann am 06.12.2002 einen geänderten Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für das II. Kalendervierteljahr 2002, in dem nunmehr die Lieferung der Milchersatzprodukte nicht mehr dem ermäßigten Steuersatz von 7 %, sondern dem Regelsteuersatz von 16 % unterworfen wurde und der bisher festgesetzte Umsatzsteuererstattungsbetrag i.H.v. …eine Umsatzsteuerschuld i.H.v. … geändert wurde.
Gleichzeitig wurde die Antragstellerin aufgefordert, den Unterschiedsbetrag i.H.v. …spätestens bis zum 16.12.2002 zu zahlen.
Hiergegen legte die Antragstellerin fristgerecht am 17.12.2002 Einspruch ein, über den bis zum heutigen Tage noch nicht entschieden worden ist.
Unter gleichem Datum beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung des geänderten Umsatzsteuervorauszahlungsbescheids für das II. Quartal 2002 vom 06.12.2002.
Desweiteren legte die Antragstellerin gegen das Leistungsgebot, bis zum 15.12.2002 den Unterschiedsbetrag zu zahlen, Einspruch ein, mit der Begründung, ihr sei der Steuerbescheid erst zum 09.12.2002 bekanntgegeben worden, so dass die Anordnung einer Fälligkeit innerhalb von 6 Tagen unverhältnismäßig sei.
Mit Schreiben vom 03.01.2003 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass er dem Einspruch gegen das verfügte Leistungsgebot zum 15.12.2002 nicht entsprechen könne. Nach § 18 Abs. 1 S. 1 UStG habe der Unternehmer bis zum zehnten Tag nach Ablauf jedes Vo...