Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollziehung: Abwägung von öffentlichem Interesse gegenüber Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen bei der Bewertung von Grundvermögen
Leitsatz (redaktionell)
1) Ein gemäß §§ 180 ff. BewG typisiert ermittelter Wert ist zum Nachweis eines niedrigeren Grundbesitzwertes i.S. des § 138 Abs. 4 BewG nicht geeignet.
2) Die Verfassungsmäßigkeit der Bedarfsbewertung i.S. der §§ 138 ff. BewG ist ernstlich zweifelhaft.
3) Das individuelle Interesse an einer Aussetzung der Vollziehung tritt jedoch aufgrund des überwiegenden öffentlichen Interesses am Vollzug von § 8 Abs. 2 GrEStG i.V. mit §§ 138 ff. BewG zurück.
Normenkette
BewG §§ 138, § 180 ff.; GrEStG § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 2; FGO § 69
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin ist eine in der Rechtsform einer GmbH geführte Steuerberatungsgesellschaft. Mit Verschmelzungsvertrag vom 11.08.2011 wurde die A B & Kollegen GmbH Steuerberatungsgesellschaft (AG D, HRB 1) durch Aufnahme mit der C Steuerberatungsgesellschaft mbH (AG D, HRB 2) verschmolzen. Zeitgleich erfolgte eine Namensänderung der übernehmenden C in A B & Kollegen GmbH Steuerberatungsgesellschaft. Da die übertragende Antragstellerin grundbesitzhaltend war (Grundbesitz in E, F-Straße 3) und ein Rechtsträgerwechsel stattfand, war der Vorgang gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Grunderwerbsteuergesetz – GrEStG – zu erfassen. Gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GrEStG war in diesem Fall als Bemessungsgrundlage der Wert gemäß § 138 Abs. 2 bis 4 Bewertungsgesetz – BewG – anzusetzen.
Am 26.04.2013 gab die Antragstellerin eine Erklärung zur Feststellung des Bedarfswerts nebst Berechnung des Gebäudewertes gemäß §§ 181 ff. BewG ab. Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage erließ der Antragsgegner den Bescheid vom 28.06.2013 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 16.11.2011 für Zwecke der Grunderwerbsteuer, in dem er den Bedarfswert gemäß §§ 138 ff. BewG ermittelte. Zu Begründung wies der Antragsgegner darauf hin, dass § 8 Abs. 2 GrEStG hinsichtlich der Bemessungsgrundlage auf § 138 Abs. 1 bis 4 BewG verweise. Es ergab sich ein Grundbesitzwert von 374.500,00 EUR. Der Bescheid erging vorläufig gem. § 165 Abs. 1 S. 2 Abgabenordnung – AO – wegen der Frage, ob die Heranziehung des Grundbesitzwertes als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer verfassungswidrig ist.
Gegen den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung vom 28.06.2013 legte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 29.07.2013 beim Antragsgegner Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung vertrat sie die Auffassung, dass gemäß § 138 Abs. 4 BewG der niedrigere gemeine Wert anzusetzen sei. Dieser könne nach §§ 180 ff. BewG n.F. ermittelt werden. Es ergebe sich danach ein Wert von 339.684,59 EUR. Wegen der zugrundeliegenden Berechnung wird auf die Steuerakte verwiesen. Darüber hinaus führte die Antragstellerin aus, dass nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 02.03.2011 (II R 23/10, BFHE 232, 358, BStBl II 2011, 932) verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Ansatz des Bedarfswertes im Rahmen der grunderwerbsteuerlichen Bemessung bestünden. Infolgedessen bestünden auch erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des erlassenen Bescheides.
In seinem Schreiben vom 07.08.2013 wies der Antragsgegner die von der Antragstellerin angeführten Einwände zurück. Er führte aus, dass nach § 138 Abs. 4 BewG zwar statt des pauschalierenden Steuerwertes der niedrigere Verkehrswert angesetzt werden könne. Gemeint sei damit allerdings der individuelle Verkehrswert, denn nur er könne die Obergrenze der Besteuerung nach der Bereicherung sein. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH bestehe keine unbeschränkte Möglichkeit in der Auswahl von Bewertungsmethoden. Die §§ 138 ff. BewG ließen nur den nachgewiesenen Verkehrswert als niedrigeren Wert zu. Wenn die Bewertungsmethode zur Ermittlung des Verkehrswertes im Sinne der §§ 179, 182-185 BewG ab dem 01.01.2009 Gültigkeit habe, gelte dies nicht für einen niedrigeren Verkehrswert im Sinne des §§ 138 Abs. 4 BewG. Auch insoweit läge lediglich eine pauschalierende Bewertungsmethode vor, die einen niedrigeren Wert nicht nachweisen könne. Daher eröffne der Gesetzgeber auch bei Anwendung der §§ 180 ff. BewG die Möglichkeit des Ansatzes des niedrigeren gemeinen Werts gemäß § 198 BewG nur bei entsprechendem Nachweis und stelle die Werte somit nicht gleichwertig. Ein niedrigerer Wert sei im Rahmen des § 138 BewG nur durch ein Sachverständigengutachten anhand der individuellen Merkmale des Grundstücks ermittelbar, so dass der Nachweis des niedrigeren Teilwerts gemäß § 138 Abs. 4 nicht erfüllt sein. Das Schreiben endet: „Aus den vorgenannten Gründen vermag ich Ihrem Einspruchs- und Aussetzungsbegehren nicht zu entsprechen …. Bitten teilen Sie innerhalb der obigen Frist – 10.9.2013 – mit, ob Sie den Einspruch aufrechterhalten oder ggfs. zurücknehmen.” Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist nicht beigefügt. Mit Schreiben vom 11.9.2013 teilte die Antragstelleri...