rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Deutsche Vorsteuervergütung für ein tschechisches Unternehmen auch ohne Gegenseitigkeitserfordernis?
Leitsatz (redaktionell)
Dem Europäischen Gerichtshof wird gemäß Art. 234 Abs. 2 EGV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ist Art. 2 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie des Rates vom 17.11.1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 86/560/EWG) einschränkend dahingehend auszulegen, dass die dort den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, die Mehrwertsteuererstattung von der Gewährung vergleichbarer Vorteile im Bereich der Umsatzsteuern durch Drittländer abhängig zu machen, sich nicht auf solche Staaten bezieht, die sich als Vertragsparteien des General Agreement on Trade in Services -GATS- (BGBl. II 1994, 1473, 1643) auf dessen Meistbegünstigungsklausel (Art. II Abs. 1 GATS) berufen können ?
Normenkette
UStG § 18 Abs. 9, 9 S. 6; UStDV §§ 59 ff.; GATS Art. II Abs. 1; RL 86/560/EWG Art. 2 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist ein in der Tschechischen Republik ansässiges Unternehmen. Unternehmensgegenstand ist die Flugsicherung im tschechischen Luftraum, insbesondere die Navigation der Maschinen diverser Fluggesellschaften beim Überflug über tschechisches Staatsgebiet bzw. bei dort vorgenommenen Starts und Landungen. Zusätzlich bietet die Klägerin Flugtrainings an, die ausschließlich in Tschechien durchgeführt werden.
Mit beim Beklagten am 7. Juli 2003 eingegangenen Antrag beantragte die Klägerin im Rahmen eines Verfahrens nach § 18 Abs. 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V. mit §§ 59 ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) und unter Beifügung der Rechnungen sowie einer tschechischen Unternehmerbescheinigung im Original die Vergütung von Vorsteuern in Höhe von EUR 29 013,60 für den Zeitraum 01-12/2002 (Vergütungszeitraum). Die Vorsteuern waren für in Deutschland bezogene Trainings am Flugsimulator (Fa. A,B) bzw. Schulungen (Fa: A,B und C,D) angefallen.
Mit Bescheid vom 12. Februar 2004 lehnte der Beklagte den Antrag allerdings mit der Begründung ab, dass die Klägerin mangels Gegenseitigkeit i.S. des § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG nicht berechtigt sei am Vergütungsverfahren teilzunehmen.
Mit Einspruch vom 4. März 2004 führte die Klägerin dagegen an, sie erfülle trotz der fehlenden Gegenseitigkeit deshalb die Voraussetzungen des Vergütungsverfahrens, weil sie Leistungen an deutsche Kunden erbracht habe, für die der jeweilige Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG schulde. Zum Nachweis fügte sie an deutsche Kunden gerichtete Ausgangsrechnungen über Start- und Landegebühren bzw. Flugtrainings bei. Mit Einspruchsentscheidung vom 27. April 2004, der Klägerin ausweislich ihrer eigenen Einlassung zugegangen am 5. Mai 2004, wies der Beklagte den Einspruch mangels Gegenseitigkeit als unbegründet zurück.
Gegen den Ablehnungsbescheid vom 12. Februar 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. April 2004 hat die Klägerin am 28. Mai 2004, bei Gericht eingegangen am 4. Juni 2004, Klage erhoben, die sie im Wesentlichen wie folgt begründet: Sie, die Klägerin, könne die Ausnahmeregelung des § 13b UStG in Anspruch nehmen, weil sie für deutsche Abnehmer Dienste im Bereich des Luftverkehrs geleistet habe. Das ergebe sich auch daraus, dass ihre Radaranlagen den tschechischen Grenzbereich überschritten. Auf die echte Erdgrenze könne es insoweit nicht ankommen.
Der Beklagte entgegnet, dass zwar im Hinblick auf den verspäteten Vergütungsantrag die Wiedereinsetzungsvoraussetzungen vorlägen. Es mangele aber an der Gegenseitigkeit i.S. des § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG, weil Tschechien für den Vergütungszeitraum nicht im sog. Drittstaatenverzeichnis aufgenommen sei. Es liege auch kein Fall des § 13b UStG vor, weil keine Leistungen im Inland erbracht worden seien. Nach § 3a Abs. 1 UStG seien die Navigations- bzw. Trainingsleistungen in Tschechien steuerbar und es komme eine Verlagerung des Leistungsortes nicht in Betracht.
Entscheidungsgründe
II.
1. Der Senat setzt das Streitverfahren aus (§ 74 der Finanzgerichtsordnung) und legt dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die im Tenor genannte Frage zur Vorabentscheidung vor.
2. Die Anrufung des EuGH ist gemäß Art. 234 EGV geboten, weil die Auslegung des Art. 2 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie des Rates vom 17. November 1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 86/560/EWG; im Folgenden: Dreizehnte Richtlinie) in entscheidungserheblicher Weise zweifelhaft ist.
a) Der Beklagte geht zunächst zu Recht davon aus, dass der Klägerin hinsichtlich ihres verfristeten Vergütungsantrags vom 7. Juli 2003 Wiedereinsetzung nach § 110 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung 1977 (AO 1977) zu gewähren ist. Die Klägerin hat durch im Rahmen des Klageverfahrens erfolgte Beibringung eines tschechischen Einlieferungsbeleges nachgewiesen, dass sie den Vergütungsantrag bereits am 25. Juni 200...