Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungsentgelt, Reiseversicherung, Schadenselbstbehalt
Leitsatz (redaktionell)
1) Bei Reiseversicherungen, die Reiseveranstalter ihren Kunden verkaufen, unterliegt der gesamte für das Versicherungspaket gezahlte Preis auch dann der Versicherungssteuer, wenn der Reiseveranstalter nur einen Teil des Verkaufserlöses an das Versicherungsunternehmen abführt.
2) Schadenselbstbehalte, die von Reiseveranstaltern zusätzlich zu den Versicherungsprämien an den Reiseversicherer zu leisten sind, unterliegen nicht der Versicherungssteuer.
Normenkette
VersStG § 3 Abs. 1, § 1 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Versicherungsteuerpflicht von Schadenselbstbehaltszahlungen einerseits und sog. Verkaufsaufschlägen andererseits, die im Zusammenhang mit von der Klägerin vertriebenen Reiseversicherungen angefallen sind.
Die Klägerin ist ein Versicherungsunternehmen, welches insbesondere Versicherungsprodukte für Reiseleistungen anbietet. Das seinerzeit für die versicherungssteuerrechtlichen Belange der Klägerin zuständige Finanzamt A für Körperschaften führte bei der Klägerin Versicherungsteuer-Außenprüfungen durch, und zwar für die Prüfungszeiträume 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2002 (Prüfungsbeginn am 12. Dezember 2002), 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2004 (Prüfungsbeginn am 17. Oktober 2005) sowie 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2006 (Prüfungsbeginn am 26. November 2007). Im Rahmen dieser Außenprüfungen traf das Finanzamt A für Körperschaften Feststellungen, die in den entsprechenden Betriebsprüfungsberichten für die Prüfungszeiträume Januar 1998 bis Dezember 2002 und Januar 2003 bis Dezember 2004, Berichte jeweils vom 11. September 2006 (Bl. 57 und 81 der Gerichtsakte – GA –) in der Fassung der Neuberechnung der Besteuerungsgrundlagen vom 5. Juli 2007 (Bl. 105 der GA), sowie für den Prüfungszeitraum Januar 2005 bis Dezember 2006, Bericht vom 15. Oktober 2009 (Bl. 110 der GA), festgehalten sind. Hiervon streitrelevant im vorliegenden Verfahren sind die Feststellungen zu den sog. Schadenselbstbehalten sowie zu den sog. Verkaufsaufschlägen bei Nettoverträgen. Dem liegen folgende tatsächliche Feststellungen zu Grunde:
Auf Basis von Gruppenversicherungsverträgen zwischen der Klägerin (als Versicherer) und verschiedenen Reiseveranstaltern (als Versicherungsnehmer) boten die Reiseveranstalter zusammen mit den von ihnen angebotenen Reiseleistungen obligatorisch den Abschluss von Reiserücktrittskostenversicherungen der Klägerin an. In den Gruppenversicherungsverträgen gewährte die Klägerin dem Reiseveranstalter zu Gunsten der Reisekunden (als versicherte Personen) Versicherungsschutz insbesondere im Hinblick auf anfallende Stornogebühren bei Reiserücktritt, für die Mehrkosten bei verspätetem Reiseantritt, verspäteter Rückkehr oder Abbruch der Reise. Die Kosten dieser Versicherung wurden direkt in den Reisepreis der Veranstalter eingerechnet. Den versicherten Reisekunden wurde vom Reiseveranstalter ein „Versicherungsausweis” ausgehändigt, womit der Reisekunde seine Ansprüche direkt gegenüber der Klägerin geltend machen konnte. Anfallende Schadenszahlungen wurden direkt von der Klägerin an die Reisekunden geleistet.
Nach einigen dieser Gruppenversicherungsverträge, und zwar betreffend B, C und D, hatten die Reiseveranstalter neben den Prämien, die nach bestimmten, bei den einzelnen Reiseveranstaltern unterschiedlichen Prozentsätzen bezogen auf den Reisepreis berechnet wurden, zusätzlich an die Klägerin einen weiteren Betrag der im Versicherungszeitraum an die Reisekunden geleisteten Schadenzahlungen (sog. Schadenselbstbehalte) zu leisten. Die Regelungen zu diesen Schadenselbstbehalten sahen vor, dass entweder je Versicherungsfall und Person ein Festbetrag (z.B. in Höhe von 50 DM), ein fester, pauschalierter Schadenselbstbehalt (z.B. in Höhe von 1,5 Millionen DM pro Jahr) oder ein Schadenselbstbehalt in Höhe eines prozentualen Anteils an den im jeweiligen Jahr geleisteten Schadensaufwendungen zu leisten war (siehe hierzu im Einzelnen Bl. 192 f. der GA). In den Streitjahren 1998 bis 2004 wurden lediglich die von der Klägerin vereinnahmten Prämien der Versicherungsteuer unterworfen, nicht jedoch die Schadenselbstbehaltszahlungen. Bezüglich der Streitjahre 2005 und 2006 sind keine Schadenselbstbehaltszahlungen streitbefangen.
Neben den von den Reiseveranstaltern zu tragenden Schadenselbstbehalten ist in den Gruppenversicherungsverträgen teilweise auch ein – vorliegend nicht streitbefangener – von den versicherten Reisekunden zu tragender Selbstbehalt geregelt, zum Beispiel je Versicherungsfall und Person ein Betrag in Höhe von 50 DM oder bei Stornierung wegen Erkrankung ein Betrag in Höhe von 20 % des erstattungsfähigen Schadens.
Nach den Prüfungsfeststellungen ergab sich im Zusammenhang mit den Schadenselbstbehalten eine nachzuerhebende Versicherungsteuer in Höhe von 2.010.767,16 € für 1998 bis 2002 und in Höhe von 463.048,35 € für 20...