Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerung des Entnahmegewinns bei Überführung von Aktien in eine belgische Betriebsstätte
Leitsatz (redaktionell)
1) Der Entnahmegewinn anlässlich der Überführung von im Gesamtshandsvermögen gehaltenen Aktien in eine belgische Betriebsstätte unterliegt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 i.V. mit Tz. 2.6.1 a) der Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze dem inländischen Besteuerungszugriff.
2) Diese Besteuerung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG i.V. mit § 52 Abs. 8b Satz 2 und 3 EStG i.d.F. des JStG 2010 auf bereits in 1998 vollzogene Überführungen gemäß der Billigkeitsregelung in Tz. 2.6.1 a) der Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze ist verfassungsrechtlich und europarechtlich unbedenklich.
3) Für die Besteuerung ist der Rechtsstand im Jahr der Auflösung des Merkpostens und nicht der Zeitpunkt der Überführung in die belgische Betriebsstätte zugrunde zu legen.
Normenkette
EStG § 52 Abs. 8b; EUV Art. 49; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20; EStG § 4 Abs. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Besteuerung eines Entnahmegewinns anlässlich der Überführung von im Gesamthandsvermögen der Klägerin gehaltenen Aktien in eine belgische Betriebsstätte.
Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft mit Sitz in … Geschäftsfeld der Klägerin war ursprünglich die … und …. Im Jahr 1973 gründeten die damaligen Gesellschafter der Klägerin die belgische Aktiengesellschaft D N.V. (nachfolgend „D”), welche nachfolgend die Herstellung der Produkte und deren Vertrieb außerhalb Deutschlands übernahm, während die Gesamtleitung, Forschung und Entwicklung sowie der Vertrieb der Produkte auf dem deutschen Markt bei der Klägerin verblieben. Die Anteile an der D wurden im Gesamthandsvermögen der Klägerin gehalten.
Im Jahre 1997 gründete die Klägerin eine in Belgien belegene Betriebsstätte, welche anschließend den weltweiten Vertrieb der von der D hergestellten Produkte übernahm. Mit Wirkung zum 19.12.1998 ordnete die Klägerin die in ihrem Gesamthandsvermögen befindlichen D-Aktien kraft Funktionszusammenhangs dem Betriebsvermögen dieser belgischen Betriebsstätte zu. Die Zulässigkeit der Betriebsstättenzuordnung wurde nachfolgend durch einen als Urteil wirkenden Gerichtsbescheid des BFH vom 23.06.2008 (I R 38/07) bestätigt; diesbezüglich besteht zwischen den Beteiligten daher Einvernehmen. Die zum Zeitpunkt der Überführung in die belgische Betriebsstätte in den D-Aktien ruhenden stillen Reserven beliefen sich unstreitig auf …Mio €.
Ausgehend von der sog. „Theorie der finalen Entnahme” deckte die Klägerin die stillen Reserven in den Anteilen anlässlich der Überführung in ihre belgische Betriebsstätte in ihrer Bilanz für 1998 auf und bildete in entsprechender Höhe zugleich einen passiven Ausgleichsposten gemäß Tz. 1 des BMF-Schreibens vom 12.02.1990 (IV B 2 – S 2135 – 4/90, IV C 5 – S 1300 – 21/90, BStBl. I 1990, 72) und Tz. 2.6.1 a) der sog. Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze 1999 (BMF-Schreiben vom 24.12.1999, IV B 4 – S 1300 – 111/99, BStBl. I 1999, 1076 ff.). Infolgedessen waren aus der Überführung in die ausländische Betriebsstätte im Jahre 1998 zunächst keine steuerlichen Folgen zu ziehen.
Der Beklagte veranlagte die Klägerin insoweit gemäß ihrer im Jahr 2000 eingereichten Steuererklärung für 1998. In einem nachfolgenden Änderungsbescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1998 vom 05.04.2009 wies er in den Erläuterungen darauf hin, dass aufgrund der Überführung der D-Aktien in die ausländische Betriebsstätte nach Verwaltungsauffassung und früherer Rechtsprechung ein Gewinn entstanden sei, der jedoch aufgrund der Billigkeitsregelung im Betriebsstättenerlass durch die Bildung eines Korrekturpostens nicht im Entstehungsjahr, sondern erst in den Folgejahren, spätestens nach zehn Jahren, zu versteuern sei. Insoweit sei davon auszugehen, dass der gebildete Korrekturposten weiterhin Gültigkeit habe. Soweit aus dem Urteil des BFH vom 17.07.2008 (I R 77/06) folge, dass die Überführung von Wirtschaftsgütern von einer inländischen in eine ausländische Betriebsstätte nicht zu einer sofortigen Gewinnrealisation führe, habe dies im Änderungsbescheid nicht berücksichtigt werden können, da das Urteil noch nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht worden sei.
Im Rahmen der Veranlagung für 2008 wich der Beklagte insoweit von den Steuererklärungen der Klägerin ab, als er den von der Klägerin im Zusammenhang mit der Überfügung der D-Aktien in die belgische Betriebsstätte in 1998 gebildeten passiven Ausgleichsposten entsprechend der Billigkeitsregelung in Tz. 2.6.1 a) der Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze auflöste und den Betrag von … Mio € als Veräußerungsgewinn der Besteuerung unterwarf. Mit Bescheid vom 20.04.2011 wurden die Besteuerungsgrundlagen für 2008 entsprechend gesondert und einheitlich gegenüber der Klägerin festgestellt. Unter dem 05.05.2011 erging ferner ein entsprechender Gewerbesteuermessbescheid für 2008.
Hiergegen wendete sich die Klägerin jeweils m...