Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Steuerfreiheit für eine sog. Funktionsinvaliditätsversicherung
Leitsatz (redaktionell)
1. Durch die gesetzliche Fiktion in § 164 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 AO wird erreicht, dass der Bescheid über die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung wie ein Steuerbescheid zu behandeln ist.
2. Wenn ein Versicherungsunternehmen in einem „Multi-Risk-Tarif” bei bestimmten Einschränkungen von Gesundheit oder körperlicher Leistungsfähigkeit ein Versicherungsprodukt mit jeweiligen Elementen von Berufsunfähigkeits-, Kranken- und Pflegeversicherung anbietet und somit Versicherungsschutz für die Folgen von Unfällen und bestimmten schweren Erkrankungen geboten wird, liegt im Kern eine Unfallversicherung vor, die nicht unter die Steuerfreiheit des VersStG fällt.
3. Eine – von der VerSt kraft Gesetzes befreite – Krankenversicherung liegt nicht schon deshalb vor, weil eine Krankheit auch durch einen Unfall ausgelöst werden kann, denn trotz einer vertraglichen Einbeziehung von Heilbehandlungen als Folge eines Unfalls steht die Absicherung eines Unfalls dann nicht im Vordergrund, sondern ist nur mittelbare Folge einer umfassenden Absicherung des Risikos Krankheit.
4. Wenn es jedoch nicht um Versicherungsschutz wegen der Behandlung von jeglichen Krankheiten geht, sondern um die Absicherung gegen Beeinträchtigungen wichtiger Körperfunktionen bzw. Grundfähigkeiten (z.B. Sehfähigkeit, Sprachfähigkeit, Gehfähigkeit) und diese Beeinträchtigungen bestimmten Invaliditätsgraden zugeordnet werden (sog. Gliedertaxe), spricht dies ebenfalls indiziell für eine Unfallversicherung.
Normenkette
VersStG § 4 Nr. 5; VVG § 178; AO § 164 Abs. 3
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Versicherungsteuerfreiheit gemäß § 4 Nr. 5 VersStG einer Funktionsinvaliditätsversicherung, bei der Elemente von Berufsunfähigkeitsschutz-, Kranken- und Pflegeversicherung in einem „Multi-Risk-Tarif” zusammengefasst sind.
Die Klägerin ist ein Versicherungsunternehmen, dessen Gegenstand der Betrieb der Unfallversicherung, der Kredit- und Kautionsversicherung, aller Arten der Schadenversicherung und der Rückversicherung im In- und Ausland ist (vgl. Auszug aus der Satzung der Klägerin, Bl. 62 der Rechtsbehelfsakte des Beklagten –VA–). Die Klägerin vertreibt seit Juni 2012 u.a. das Vorsorgeprodukt „Z – …” (Z). Bei dem Tarif Z handelt es sich nach der Schilderung der Klägerin um einen Existenzschutz in der Form eines Multi-Risk-Tarifs, der bei bestimmten Einschränkungen von Gesundheit oder körperlicher Leistungsfähigkeit finanzielle Versorgung bietet (sog. Funktionsinvaliditätsversicherung). Das Tarifangebot bietet die Möglichkeit, Versorgungslücken in Form einer „Berufsunfähigkeitsversicherung light” zu schließen, da eine Leistungspflicht leichter bzw. unter geringeren Voraussetzungen als bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung (im eigentlichen Sinne) eintreten kann. Das Angebot richtet sich an Personen, die eine Berufsunfähigkeitsversicherung aufgrund von Vorerkrankungen oder ihres Berufes (z.B. Pilot) nicht abschließen können, für die der finanzielle Aufwand für eine Berufsunfähigkeitsversicherung nicht leistbar ist, aber auch an Personen, die keine berufliche Tätigkeit ausüben (z.B. Hausfrauen / -männer, Studenten) oder aber eine bereits bestehende Berufsunfähigkeitsversicherung ergänzen möchten.
Gemäß Ziffer 1 der Versicherungsbedingungen wird mit dem hier streitgegenständlichen Versicherungsprodukt Z „Versicherungsschutz für die Folgen von Unfällen und bestimmten schweren Erkrankungen” geboten (vgl. Ziffer 1 Y… AB Tarif Z 2012 – AB Tarif Z –, Bl. 17 ff. der VA). Der Versicherungsschutz greift gemäß Ziffer 1.1 der AB Tarif Z
- bei Unfällen, die zu einem ermittelten Invaliditätsgrad von mindestens 50 % geführt haben,
- bei definierter Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit bestimmter Organe bzw. definierter Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit als Folge einzelner bestimmter Krankheiten oder durch einen Unfall,
- bei Verlust definierter Grundfähigkeiten durch Unfall oder Krankheit,
- bei Feststellung einer Krebserkrankung,
- bei Feststellung einer Pflegestufe gemäß Sozialgesetzbuch (SGB) auf Grund eines Unfalls oder wegen einer Erkrankung.
Abgesichert ist die Einschränkung von Gesundheit oder körperlicher Leistungsfähigkeit bei bestimmten eingetretenen Invaliditätsgraden (mindestens 50 %), bei erheblichen, bestimmten Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit bestimmter Organe bzw. der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit, d.h. erheblichen Erkrankungen (Krebserkrankung; Herz-, Nieren-, Leber- oder Lungenerkrankungen; Beeinträchtigung des Stütz- und Bewegungsapparates), bei Verlust definierter Grundfähigkeiten (Blindheit, Stummheit, Taubheit) und Pflegebedürftigkeit. Der Invaliditätsgrad wird nach einer sog. Gliedertaxe differenziert nach einzelnen beeinträchtigten Körperteilen ermittelt (vgl. Ziffer 2.1.3.1 der AB Z, Bl. 19 der VA). Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen wird in der Regel eine Rente gezahlt. Bei bes...