Entscheidungsstichwort (Thema)
Einbeziehung des Krankengeldes lediglich gesetzlicher Krankenkassen verfassungsgemäß
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Einbeziehung des Krankengeldes aus der gesetzlichen Krankenversicherung in den Progressionsvorbehalt gem. § 32 Abs. 1 Nr. 1 b) EStG begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie verstößt insbesondere nicht gegen Art. 3 GG. Es kommt nicht darauf an, dass der gesetzlich Krankenversicherte den Beitrag nunmehr allein aufzubringen hat.
2) Für die Höhe des einbezogenen Betrages gilt das Zuflussprinzip des § 11 Abs. 1 EStG.
Normenkette
GG Art. 3, 20 Abs. 1; EStG § 3 Nr. 1 a); SGB V § 44 Abs. 1; EStG § 32b Abs. 1 Nr. 1 b
Nachgehend
Tatbestand
Die Kläger sind Ehegatten und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielen beide Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit und sind in einer gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Die Klägerin bezog im Streitjahr 2009 von ihrer Krankenkasse, der …/in A, EUR 9.649,– Krankengeld. Ein Restbetrag von EUR 466,– für 2009 wurde der Klägerin im Laufe des Jahres 2010 ausgezahlt.
Der Beklagte setzte die Einkommensteuer 2009 der Kläger mit Bescheid vom 30.08.2010 auf EUR 2.979,– fest. Bei der Veranlagung unterwarf er erklärungsgemäß Krankengeld in Höhe von EUR 10.115,– dem Progressionsvorbehalt gemäß § 32 b Abs. 1 Nr. 1 b EStG. Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage.
Mit der Klage machen sie – wie bereits im Einspruchsverfahren – geltend, die Regelung des § 32 b EStG sei verfassungswidrig, soweit von ihr das Krankengeld unter Progressionsvorbehalt gestellt werde. Sie verstoße gegen das Willkürverbot des Art. 3 GG und das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG. § 32 b EStG stelle nämlich lediglich das von einer gesetzlichen Krankenversicherung bezogene Krankengeld unter Progressionsvorbehalt, während das von einer privaten Krankenversicherung bezogene Krankentagegeld nicht erfasst werde. Diese unterschiedliche steuerliche Behandlung sei willkürlich. Denn in beiden Fällen handele es sich um eine nach § 3 Nr. 1 a EStG steuerfreie Leistung. Und in beiden Fällen habe der Arbeitnehmer die Beiträge für diese Versicherung allein aufgebracht, denn der vom gesetzlich pflichtversicherten Arbeitnehmer allein aufzubringende Beitragsanteil von 0,9 % entspreche genau der Differenz zwischen dem allgemeinen Beitragssatz mit Krankengeldversicherung und dem verminderten Beitragssatz ohne Krankengeldversicherung. Wenn überhaupt sei die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Krankengeld aus gesetzlichen und privaten Kassen früher gerechtfertigt gewesen, als nämlich der gesamte Krankenversicherungsbeitrag eines pflichtversicherten Arbeitnehmers hälftig vom Arbeitnehmer und Arbeitgeber getragen worden sei. Die diesbezüglichen Regelungen seien aber ab dem 01.01.2009 dahingehend geändert worden, dass der Beitragsanteil für das Krankengeld allein vom Arbeitnehmer zu tragen sei.
Aber selbst in der Vergangenheit dürfte die unterschiedliche Behandlung entgegen der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 26.11.2008 (X R 59/06, BFH/NV 2009, 739) schon nicht gerechtfertigt gewesen sein. Denn schon damals habe Arbeitnehmern, die nicht krankenversicherungspflichtig seien, ein Zuschuss bis zur Hälfte des Gesamtbetrags zur gesetzlichen Krankenversicherung (einschließlich Krankengeld) zu den Prämien, die sie für eine gleichartige private Krankenversicherung aufzuwenden hätten, zugestanden. Demgemäß bezuschusse der Arbeitgeber in zahlreichen Fällen auch den Anteil für die private Krankentagegeldversicherung hälftig. Vor diesem Hintergrund sei es nicht hinnehmbar, dass das Krankengeld, das pflichtversicherte Arbeitnehmer oder Arbeitnehmer, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert seien, bezögen, dem Progressionsvorbehalt unterfalle, hingegen aber das – aufgrund vom Arbeitgeber genauso bezuschusster Prämienzahlungen – von einem privat versicherten Arbeitnehmer bezogene Krankentagegeld dem Progressionsvorbehalt nicht unterfalle.
Letztlich verstoße die Regelung des § 32 b EStG auch gegen das Sozialstaatsprinzip, denn Krankengeld bezögen im Regelfall diejenigen Arbeitnehmer, deren Einkommen unter der Beitragsbemessungsgrenze liege, während höher verdienende Arbeitnehmer die Möglichkeit hätten, dem Progressionsvorbehalt durch Abschluss einer privaten Krankenversicherung auszuweichen, von den zu erwartenden höheren Leistungen für privatärztliche Versorgung ganz zu schweigen. Das Sozialstaatsprinzip gebiete es aber, die Steuerlast für einkommensschwache Personen im Grundsatz niedriger als für einkommensstärkere Personen zu gestalten.
Hilfsweise begehren die Kläger den Ansatz des Krankengelds in tatsächlich gezahlter Höhe von EUR 9.649,– anstelle des derzeit berücksichtigen Betrags von EUR 10.115,–.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 30.08.2010 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.10.2010 dahing...