Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Anrechnung dänischer und niederländischer KSt ohne ordnungsgemäße KSt-Bescheinigung und Nachweis der Höhe der anrechenbaren KSt (Folgeurteil zu EuGH v. 30.6.2011 - C-262/09 - Meilicke II)
Leitsatz (redaktionell)
1) Bei der Berechnung einer Steuergutschrift für einen unbeschränkt steuerpflichtigen Aktionär, der Dividenden von einer Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat empfangen hat, ist die von der in diesem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft "tatsächlich entrichtete" Steuer zu berücksichtigen, wie sie sich aus den auf die Berechnung der Besteuerungsgrundlage anwendbaren allgemeinen Regeln und aus dem Satz der KSt im letztgenannten Mitgliedstaat ergibt.
2) Die Steuergutschrift, auf die ein in einem Mitgliedstaat unbeschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner in Verbindung mit von einer KapGes mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat ausgeschütteten Dividenden Anspruch hat, darf nicht anders berechnet werden als nach Maßgabe des gemäß des Rechts des Sitzmitgliedstaats der ausschüttenden Gesellschaft für die von ihr ausgeschütteten Gewinne geltenden KSt-Satzes. Ein Mitgliedstaat, in dem ein System zur Vermeidung oder Abschwächung der mehrfachen Belastung oder wirtschaftlichen Doppelbesteuerung bei Dividendenausschüttungen durch gebietsansässige Gesellschaften an ebenfalls Gebietsansässige besteht, hat bei Dividendenausschüttungen durch gebietsfremde Gesellschaften an Gebietsansässige eine gleichwertige Behandlung vorzusehen.
3) Angesichts dessen kann die gemeinschaftsrechtlich gebotene KSt-Anrechnung nicht unter schlichter Anwendung von § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG erfolgen; die Steuergutschrift ist nach Maßgabe des KSt-Satzes zu berechnen, der nach dem Recht des Sitzmitgliedstaats der ausschüttenden Gesellschaft auf die ausgeschütteten Dividenden angewandt wird, wobei der gutzuschreibende Betrag indessen nicht den Betrag der ESt übersteigen kann, den der begünstigte Anteilseigner in dem Mitgliedstaat, in dem er unbeschränkt steuerpflichtig ist, auf die bezogenen Dividenden zu entrichten hat.
4) Fehlt eine KSt-Bescheinigung deutschen Rechts, ist eine Anrechnung ausländischer KSt nur dann möglich, wenn die ausgeschütteten Dividenden tatsächlich mit KSt belastet sind und auch die genaue Höhe dieser Belastung nachvollziehbar ist. In Ermangelung des Nachweises der tatsächlich entrichteten KSt kann die Berechnung der KSt-Gutschrift auch nicht auf eine bloße Schätzung des einschlägigen Steuersatzes gestützt werden.
5) Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen; sie ist inzwischen beim BFH anhängig, Az.: I R 69/12.
Normenkette
KStG a.F. § 45; EG Art. 56 Abs. 1, Art. 58 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3; EStG a.F. § 36 Abs. 2 Nr. 3
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob und ggf. in welcher Höhe für ausländische Dividenden Körperschaftsteuer nach § 36 EStG a.F. anzurechnen ist.
Die Kläger sind Erben nach dem am … 1997 verstorbenen A.
Der Einkommensteuerbescheid 1995 für A vom 16. Februar 1998 und der Einkommensteuerbescheid 1996 vom 7. September 1998 stehen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO. Der Einkommensteuerbescheid 1997 für A vom 26. Juli 2000 enthält keinen Vorbehalt der Nachprüfung.
Mit Schreiben vom 30. Oktober 2000 beantragten die Kläger die Anrechnung von 3/7 der vom Erblasser erzielten Dividendeneinnahmen aus niederländischen und dänischen Aktien aus den Jahren 1995 bis 1997 (Streitjahre) in Höhe von insgesamt … DM. Zur Begründung des Antrags beriefen sie sich auf das Verkooijen-Urteil des EuGH (vom 6. Juni 2000 Rs. C-35/98, EuGHE I 2001, 1327).
Nach Ablehnung des Antrags und erfolglosem Einspruchsverfahren erhoben die Kläger fristgerecht Klage.
Am 24. Juni 2004 erging der Beschluss des erkennenden Senats, mit dem er dem EuGH gemäß Art. 234 Abs. 2 EGV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorlegte.
„Ist § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG (in der in den Streitjahren geltenden Fassung), wonach nur die Körperschaftsteuer einer unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Körperschaft oder Personenvereinigung in Höhe von 3/7 der Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG auf die Einkommensteuer angerechnet wird, mit Art. 56 Abs. 1 und Art. 58 Abs. 1 a und Abs. 3 EGV vereinbar?”
Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss des Senats vom 24. Juni 2004 Bezug genommen (Bl. 129 ff. der FG-Akte).
Mit Urteil vom 6. März 2007 (C-292/04) hat der EuGH die Vorlagefrage dahingehend beantwortet, dass die Artikel 56 EG und 58 EG dahin auszulegen seien, dass sie einer Steuerregelung entgegenstünden, nach der bei einer Ausschüttung von Dividenden durch eine Kapitalgesellschaft ein in einem Mitgliedstaat unbeschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner dann in den Genuss einer Steuergutschrift komme, die nach Maßgabe des für die ausgeschütteten Gewinne geltenden Körperschaftsteuersatzes berechnet werde, wenn die ausschüttende Gesellschaft ihren Sitz im selben Mitgliedstaat habe, nich...