Entscheidungsstichwort (Thema)
Der über den Mindestkaufpereis hinausgehende Mehrerlös, den ein Makler im Rahmen eines atypischen Maktervertrags für die Vermittlung von Immobilien erhält, ist eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung
Leitsatz (redaktionell)
1. Erhält eine u. a. die Vermittlung von Immobilien betreibende GmbH als Entgelt für die Vermittlung und den Abschluss von Grundstückskaufverträgen im Namen des Eigentümers zu einem Mindestkaufpreis den darüber hinaus erzielten Mehrerlös, ist umsatzsteuerlich eine gem. § 3 Abs. 9 UStG steuerbare und steuerpflichtige, insbesondere nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerbefreite Vermittlungsleistung anzunehmen.
2. Die GmbH ist hinsichtlich des für die Vermittlungsleistung erzielten, der Umsatzsteuer unterliegenden Mehrerlöses nicht doppelt mit Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer belastet. Der Grunderwerbsteuer unterliegt bei einem atypischen Maklervertrag nach der Fiktion eines Zwischenerwerbs gem. § 1 Abs. 2 i. V. m. § 8 Abs. 1 GrEStG allein der an den Grundstückseigentümer auszukehrende Mindestkaufpreis.
3. Die grunderwerbsteuerliche Bewertung der Verwertungsbefugnis der GmbH als sogenannte „gedachter Zwischenerwerb” bzw. „wirtschaftlicher Verkauf” steht nicht im Widerspruch zur umsatzsteuerlichen Feststellung, dass die GmbH im Rahmen der Veräußerungsgeschäfte den Grundstückseigentümern gegenüber umsatzsteuerpflichtige Vermittlungsleistungen erbringt.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 9 Buchst. a, § 3 Abs. 9; GrEStG § 1 Abs. 2, § 8 Abs. 1; BGB §§ 873, 925; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1
Nachgehend
Tenor
Die Vollziehung der geänderten Umsatzsteuerbescheide für 2007 und 2008 vom 04. April 2014 wird teilweise ausgesetzt bzw. aufgehoben, und zwar der Umsatzsteuerbescheid für 2007 in Höhe von 8.142,85 EUR und der Umsatzsteuerbescheid für 2008 in Höhe von 45.184,87 EUR.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin 73 vom Hundert und der Antragsgegner 27 vom Hundert.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 19.404,90 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung von nach einer Betriebsprüfung geänderten Umsatzsteuerbescheiden. In der Hauptsache ist zwischen den Beteiligten streitig, ob Erlöse aus Grundstücksverkäufen der Grunderwerbsteuer unterliegen und damit von der Umsatzsteuer befreit sind. Dabei geht es zum einen um die Vermarktung von Wohneinheiten des Herrn H in S durch die Antragstellerin als bevollmächtigte Verkäuferin, zum anderen um den Verkauf von bebauten Grundstücken, bei denen Teile des Kaufpreises an die Antragstellerin abgeführt wurden.
Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Gegenstand des Unternehmens sind Grundstücksinvestitionen aller Art, der An- und Verkauf, die Verwaltung und Vermittlung von Immobilien sowie die Verwaltung eigenen Vermögens.
Mit notariellen Urkunden vom 12. Juli 2007 (Urkundenrolle Nr. … und … der Notarin …) und vom 10. April 2008 (Urkundenrolle … der Notarin …) erteilte Herr H der Antragstellerin die Vollmacht, unter Befreiung von den Einschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) seinen Grundbesitz in S zu veräußern. Der Grundbesitz war in jeweils 8 Wohneinheiten (… Straße … und …) bzw. 12 Wohneinheiten (… Straße … A und B) aufgeteilt. Für die einzelnen Wohneinheiten waren in den Verträgen Mindestkaufpreise festgelegt, die für die … Straße … insgesamt 439.680,00 EUR, für die … Straße … insgesamt 428.066,00 EUR und für … Straße … A und B insgesamt 832.000,00 EUR betrugen. Ein über diesen Beträgen vereinbarter Kaufpreis war nach Wahl der Antragstellerin auf ein von ihr anzugebendes Konto zu zahlen und wurde von Herrn H nicht beansprucht. Die Antragstellerin war berechtigt, die für die Veräußerung der einzelnen Wohnungen erforderlichen Erklärungen abzugeben und insoweit jede Wohnung auch einzeln zu veräußern. Insbesondere war die Antragstellerin ermächtigt, im Namen des Vollmachtgebers die Auflassung zu erklären, die erforderlichen Anträge zu stellen und entgegenzunehmen, Verträge zu schließen und auch wieder aufzuheben sowie den Kaufpreis und die Zahlungsmodalitäten zu vereinbaren.
Die Antragstellerin behandelte die auf diesen Verkäufen beruhenden Mehrerlöse als umsatzsteuerfrei nach § 4 Nummer 9a Umsatzsteuergesetz (UStG).
Während einer Betriebsprüfung bei der Antragstellerin stellte der Betriebsprüfer fest, dass der Antragstellerin aus diesen Veräußerungsgeschäften in 2007 Bruttoerlöse in Höhe von 45.369,81 EUR (netto 38.125,00 EUR), 2008 Bruttoerlöse in Höhe von 626.936,50 EUR (netto 526.837,39 EUR) und 2009 in Bruttoerlöse in Höhe von 118.936,00 EUR (netto 99.389,00 EUR) zugeflossen sind. In den Bruttoerlösen für 2008 sind insgesamt 198.000,00 EUR aus einem Verkauf H und M (UR-Nr. …, Notar … – 80.000,00 EUR) sowie A Vermögensverwaltung GmbH (UR-Nr. …, Notar … – 118.000,00 EUR) enthalten, die nach Auffassung des Antragsgegners die ...