Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorläufiger Rechtsschutz bei verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Gültigkeit des § 10 Abs. 3 EStG
Leitsatz (redaktionell)
Für einen Antrag auf Áussetzung der Vollziehung, der auf die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs. 3 EStG gestützt wird, fehlt idR das erforderliche (besondere) rechtliche Interesse an d er Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
Normenkette
EStG § 10 Abs. 3; FGO § 69
Gründe
I.
Streitig ist im Einspruchsverfahren die Verfassungswidrigkeit der beschränkten Abzugsfähigkeit der Vorsorgeaufwendungen der Antragsteller (ASt) gemäß § 10 Abs. 3 EStG.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Die ASt beantragen die Aufhebung des Einkommensteuerbescheids 1999 vom 8.3.2001 in Höhe von 3.988 DM und der Festsetzung des Solidaritätszuschlags zur Einkommensteuer 1999 vom 8.3.2001 in Höhe von 206,19 DM wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerfestsetzung 1999.
Der Antragsgegner (Finanzamt –FA–) beantragt die Ablehnung des Antrags.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen und auch ausreichenden summarischen Beurteilung des Sachverhalts anhand präsenter Beweismittel bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 3 und Abs. 2 FGO an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerfestsetzungen.
Dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung kann schon deshalb nicht stattgegeben werden, weil es an dem erforderlichen berechtigten Interesse der ASt an der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes fehlt. Ein solches berechtigtes Interesse wird nach ständiger Rechtsprechung des BFH gefordert, wenn sich die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes aus der behaupteten Verfassungswidrigkeit einer Norm ergeben (vgl. z. B. BFH-Beschluss vom 20.7.1990 III B 144/89, BStBl II 1991, 104). Die Rechtsprechung wertet die verfassungsrechtlichen Zweifel als eine Ausnahmesituation, in der eine zusätzliche Interessenabwägung bei der Ermessensausübung gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO geboten ist. Die Interessenabwägung als solche trägt dem Umstand Rechnung, dass die Normen, deren Verfassungsmäßigkeit in Zweifel gezogen wird und auf denen die angefochtenen Verwaltungsakte beruhen, Gültigkeit beanspruchen, solange das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ihre Verfassungswidrigkeit nicht festgestellt hat (vgl. auch Tipke/Kruse, § 69 FGO Rz. 96 m.w.H.). In diesen Fällen rechtfertigen überwiegende öffentliche Belange es in der Regel, den Rechtsschutz des Bürgers einstweilen zurückzustellen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 6.4.1988 1 BvR 146/88, StRK, FGO, § 69 R 283 m.w.H. sowie u. a. BFH-Beschluss vom 19.8.1994 X R 318–319/93, BFH/NV 1995, 143; zu den – nach Aktenlage hier nicht vorliegenden – Voraussetzungen einer Interessenabwägung zugunsten des Steuerpflichtigen bei einem Einkommen unter dem sozialrechtlich garantierten Existenzminimum vgl. z. B. BFH-Beschluss vom 9.10.1991 III B 51/91, III B 74/91, III B 1/91, BStBl II 1992, 91).
Der Senat hat bei vorläufiger Prüfung aber auch keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der in § 10 Abs. 3 EStG enthaltenen Abzugsbeschränkung für Vorsorgeaufwendungen. Die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift war zwar vor 1993 streitig; sie wurde aber überwiegend bejaht (vgl. z. B. FG Nürnberg, Urteil vom 21.6.1999 VI 82/99, EFG 1999, 1290). Das BVerfG hat bereits für die Jahre 1979 und 1980 entschieden, dass die Regelung des Vorwegabzugs in § 10 Abs. 3 EStG den Gleichheitssatz nicht verletzt; denn die vom Steuergesetzgeber vorgefundenen unterschiedlichen Versorgungssysteme für Selbständige, sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer und Personen mit beitragsloser Versorgungsanwartschaft können bei der Regelung des Sonderausgabenabzugs von Vorsorgeaufwendungen nur bis zu einem gewissen Grad in eine Entsprechung zueinander gebracht werden (Beschluss des BVerfG vom 28.12.1984 1 BvR 1472/84, 1 BvR 1473/84, HFR 1985, 337). Die späteren sich gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 10 Abs. 3 EStG richtenden Verfassungsbeschwerden hat das BVerfG ebenfalls nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hatten (vgl. Beschlüsse des BVerfG vom 20.8.1997 1 BvR 1300/89, HFR 1997, 937 und 1 BvR 1523/88, HFR 1998, 397 sowie vom 2.11.1995 2 BvR 661/90, DStZ 1996, 135).
Deshalb begründet die Anhängigkeit der gleichen Rechtsfrage beim BFH (Az. IV R 90/99; XI R 41/99; XI R 17/00) keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der in Frage stehenden Norm.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Fundstellen