Entscheidungsstichwort (Thema)

Verhältnis einer Steuerfestsetzung nach § 167 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 AO und § 55 UStDV bei einer im Abzugsverfahren für im Ausland ansässige Unternehmer zu erhebenden Umsatzsteuer

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob bei einer im Abzugsverfahren für im Ausland ansässige Unternehmer zu erhebenden Umsatzsteuer neben der Haftung nach § 55 UStDV im Abrechnungsverfahren eine Steuerfestsetzung nach § 167 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 AO in Betracht kommt.

2. Selbst wenn im Rahmen des Umsatzsteuer-Abzugsverfahrens ein Anwendungsbereich für Steuerfestsetzungen nach § 167 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 AO bestünde, wäre das Verfahrenswahl-Ermessen des Finanzamts insoweit eingeschränkt, dass dieses von der Steuerfestsetzung nach § 167 Abs 1 Satz 1 AO nur Gebrauch machen darf, wenn die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme des Leistungsempfängers vorliegen.

 

Normenkette

AO 1977 § 167 Abs. 1 S. 1 Alt. 2; UStDV §§ 55, 54; AO 1977 § 191; UStR 2000 Abschn. 237; FGO § 69 Abs. 2-3

 

Gründe

I.

Der Antragsgegner (Finanzamt -FA-) hat gegenüber der Antragstellerin unter Verwendung des entsprechenden amtlichen Vordrucks in einem „Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für den Monat Dezember 1995” vom 8.10.1998 „die Umsatzsteuer im Abzugsverfahren” auf 23884,20 DM festgesetzt (Bl. 8 Umsatzsteuer- [USt-] Akte). Zur Begründung hat das FA als Bemessungsgrundlage 159.228 DM angegeben und auf „die Ergebnisse der durchgeführten Außenprüfung” verwiesen. Nach dem Steuerfahndungsbericht vom 6.8.1998 (Bl. 3 USt-Akte) beruht die Bemessungsgrundlage auf vier Rechnungen der Fa. … in Österreich aus den Monaten Februar und Juli 1995 und einer Rechnung der S. und B. GmbH in Polen vom 21.12.1995. Diese Rechnungsaussteller haben die sog. Null-Regelung i.S.d. § 52 Abs. 2 der USt-Durchführungsverordnung (UStDV) in Anspruch genommen.

Die Antragstellerin wendet sich gegen diese Feststellung mit der Begründung, daß sie keine Unternehmerin und nicht die Empfängerin der in den Rechnungen ausgewiesenen Leistungen sei. Sie habe ihre Leistungen als Bauherrengemeinschaft von einem Generalunternehmer, der R. GmbH, bezogen. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 12.7.1999, Bl. 15 USt-Akte) hat die Antragstellerin Klage erhoben, die noch unter dem Aktenzeichen 14 K 3499/99 anhängig ist. Daneben begehrt sie im vorliegenden Verfahren die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des angefochtenen Bescheids, nachdem das Finanzamt einen entsprechenden Antrag abgelehnt hat.

Zum Vorbringen der Antragstellerin in den gerichtlichen Verfahren verweist der Senat auf deren Schriftsätze vom 10.8., 14.10. und 3.11.1999.

Die Antragstellerin beantragt, die Vollziehung des USt-Vorauszahlungsbescheids für Dezember 1995 vom 8.10.1999 auszusetzen.

Das FA beantragt die Ablehnung des Antrags.

Zum Vorbringen des FA wird auf dessen Schriftsätze vom 26.11.1999 verwiesen.

Dem Senat hat die die Antragstellerin betreffenden USt-Voranmeldungs-Akte des FA vorgelegen.

II.

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist begründet.

Bei der im AdV-Verfahren gebotenen und auch ausreichenden summarischen Beurteilung anhand präsenter Beweismittel bestehen ernstliche Zweifel im Sinne von § 69 Absatz 3 und Absatz 2 FGO an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen USt-Vorauszahlungsbescheids für Dezember 1995, und zwar aus folgenden Erwägungen:

1. Ein Leistungsempfänger, der Unternehmer ist, hat gem. § 51 Absatz 1 Nr. 1 und Absatz 2 Satz 1 UStDV die Steuer für Werklieferungen und sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers von der Gegenleistung einzubehalten und an das für ihn zuständige Finanzamt abzuführen. Nach § 54 UStDV hat er die abzuführende Steuer binnen zehn Tagen nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt ganz oder teilweise gezahlt worden ist, nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck bei dem für ihn zuständigen Finanzamt anzumelden.

Gemäß § 55 UStDV haftet der Leistungsempfänger für die nach § 54 UStDV anzumeldende und abzuführende Steuer. Die Haftungsschuld „kann” durch Haftungsbescheid i.S.d. § 191 Absatz 1 der Abgabenordnung (AO) geltend gemacht werden. Der Erlaß eines solchen Bescheids steht im Ermessen des Finanzamts. Im Streitfall hat das Finanzamt keinen Haftungsbescheid erlassen. Der angefochtene Vorauszahlungsbescheid kann auch nicht in einen Haftungsbescheid umgedeutet werden (vgl. BFH-Urteil vom 27.09.1991 VI R 159/89, BStBl II 1992, 163 m.w.H). Deshalb braucht der Senat in diesem Zusammenhang nicht zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme vorliegen.

§ 167 Absatz 1 Satz 1 Alternative 2 AO gestattet den Erlaß eines Steuerbescheids nach § 155 AO, wenn der Steuer- oder Haftungsschuldner die Steueranmeldung nicht abgibt. Das Verhältnis zwischen einer solchen USt-Festsetzung gegenüber dem Leistungsempfänger und einem diesem gegenüber nach § 191 AO zulässigen Haftungsbescheid ist noch nicht abschließend geklärt (vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 18 Anm. 852 m.w.H.). E...

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