rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollziehung. „hand-strips” und „strips” als Rauchtabak. Empfänger von Tabakwaren. Sicherheitsleistung
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass es sich sowohl bei „hand-strips” (getrocknete, weitgehend unzerkleinerte Tabakblätter, aus denen die Mittelrippe entfernt wurde) als auch bei „strips” (getrocknete, zerkleinerte, zum Teil entriptte Tabakblattteile) um Rauchtabak im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 3 TabStG handelt.
2. Empfänger im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG ist derjenige, der Tabakwaren entgegennimmt.
3. Die Gewährung einer Aussetzung der Vollziehung nur gegen Sicherheitsleistung ist ermessensfehlerhaft, wenn Steuerausfälle nicht nur bei einer späteren Vollziehung, sondern selbst bei einem Sofortvollzug (hier im Hinblick auf das noch nicht mit einer Restschuldbefreiung abgeschlossene Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerschuldners) unvermeidbar erscheinen.
Normenkette
TabStG § 1 Abs. 1, 2 Nr. 3, § 23; FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 Sätze 2-3; AO § 5
Tenor
1. Die Anordnung der Sicherheitsleistung in den Bescheiden vom 05. Juni 2019 wird aufgehoben. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu 40 % und der Antragsgegner zu 60 %.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller ist der Ehemann von Frau X., die seit dem 02. Juli 2013 u.a. Tabakblätter und Tabakblattteile über die Internetseite „XY.de”, über den Online-Marktplatz „ABC” und über das soziale Netzwerk „Z” zum Kauf anbietet. Sie bezog die Waren von verschiedenen Händlern in Deutschland, Italien, Polen und Tschechien. Als Zwischenlager dienten angemietete Gewerberäume in G., W-Str. (bis Januar 2018) bzw. H-Str. (ab Februar 2018), von wo aus die Ware an die Abnehmer verschickt wurde.
Der Tabak wurde in Form sog. „leaves”, „hand-strips” und „strips” bezogen. „Leaves” sind getrocknete, vollständige Tabakblätter; bei den „hand-strips” handelt es sich um getrocknete Tabakblätter, aus denen die Mittelrippe entfernt wurde, die ansonsten aber weitgehend unzerkleinert sind, und „strips” sind getrocknete, zerkleinerte, zum Teil entrippte Tabakblattteile.
Mit Email vom 15. Juli 2013 hatte die Ehefrau des Antragstellers bei der Zentralen Auskunft des Informations- und Wissensmanagement (IWM) Zoll, Dresden, angefragt, ob beim Verkauf von getrockneten Tabakpflanzenblättern als Deko Steuern anfielen. Sie erhielt damals die unverbindliche Auskunft, dass rohe, getrocknete Tabakblätter „zurzeit” kein Steuergegenstand nach dem deutschen Tabaksteuerrecht seien. In einer weiteren Anfrage an das IWM Dresden vom 07. Oktober 2013 erkundigte sich die Ehefrau des Antragstellers, ob sog. „blended strips” oder entrippte, sonst unverarbeitete Tabakblätter (Blätter von der Hauptrippe entfernt mit einer Größe von ca. 10-15 cm) der deutschen Tabaksteuer unterliegen. Dies wurde in einer als unverbindlich bezeichneten Auskunft verneint.
Ab Dezember 2017 ermittelte das Zollfahndungsamt (ZFA) – Dienstsitz (…) – u.a. gegen die Ehefrau des Antragstellers wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung bzw. Steuerhehlerei. Auf der Basis eines Gutachtens des Hauptzollamts (HZA) (…) – Steuerzeichenstelle Bünde, dem Warenproben zur tabaksteuerrechtlichen Beurteilung vorgelegt worden waren, kamen die Ermittler zu der Auffassung, dass es sich zwar bei den ganzen Tabakblättern (sog. „leaves”) um nicht steuerbaren Rohtabak handele, die zerkleinerten Tabakblätter (sog. „strips” bzw. „hand-strips”) aber als Rauchtabak der Tabaksteuer unterlägen. Außerdem ergaben die Ermittlungen, dass der Antragsteller im Betrieb seiner Ehefrau mitarbeitete und insbesondere Tabakbestellungen aufgab sowie den Versand an die Kunden vorbereitete. Gegen ihn leitete das ZFA am 02. März 2018 das Steuerstrafverfahren ein.
Mit Bescheid vom 17. April 2019 setzte der Antragsgegner (das Hauptzollamt – HZA) Tabak-steuer von (…) EUR gegen den Antragsteller fest. Der Besteuerung liegen Einzelfälle aus dem Zeitraum November 2014 bis Mai 2018 zugrunde.
Mit Bescheid vom 29. April 2019 setzte das HZA außerdem Hinterziehungszinsen in Höhe von (…) EUR gegen den Antragsteller fest.
Über die gegen beide Bescheide eingelegten Einsprüche vom 06. Mai 2019 ist noch nicht entschieden.
Den Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) vom 06. Mai 2019 gab das HZA teilweise statt. Es setzte die Vollziehung des Steuerbescheides vom 17. April 2019 in Höhe eines Teilbetrages von (…) EUR und die Vollziehung des Zinsbescheides vom 29. April 2019 in voller Höhe, jeweils stets widerruflich und gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe des jeweils ausgesetzten Betrages aus (Bescheide vom 05. Juni 2019). Soweit der Steuerbescheid Einzelfälle aus dem Zeitraum September 2017 bis Mai 2018 betrifft, hat das HZA den Antrag auf AdV abgelehnt.
Seine an das Finanzgericht gerichteten Anträge auf AdV vom 27. Juni 2019 begründet der Antragsteller im Wesentlichen damit, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestünde...