Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit eines Verspätungszuschlags bei Nichtabgabe der Steuererklärung in elektronischer Form. Rechtmäßigkeit der Höhe der Schätzung. Unzumutbarkeit der Übermittlung der Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenen Datensatz durch Datenfernübertragung nach § 150 Abs. 8 AO
Leitsatz (redaktionell)
Die Voraussetzungen für eine Härtefallregelung nach § 150 Abs. 8 AO (Verzicht auf die Übermittlung der Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenen Datensatz durch Datenfernübertragung) liegen nicht vor, wenn die Klägerin – eine Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer UG – selbst keinen Internetanschluss und auch keinen Computer besitzt, aber ihr Gesellschafter-Geschäftsführer bzw. Liquidator darüber verfügt. Sie kann sich nicht darauf berufen, dass ihr Geschäftsführer nicht verpflichtet sei, die bei ihm vorhandenen Voraussetzungen für eine Datenfernübertragung zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten der Klägerin zu verwenden.
Normenkette
FGO § 40 Abs. 1-2, § 47 Abs. 1, § 54 Abs. 2, §§ 100, 102; AO § 90 Abs. 1, § 108 Abs. 3, § 122 Abs. 2, §§ 124, 140, 149 Abs. 1, § 150 Abs. 4, 8, §§ 152, 162 Abs. 1, § 366; KStG § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 S. 3, § 31 Abs. 1; EStG § 25 Abs. 3; EStDV § 60 Abs. 1 S. 2; GewStG §§ 3, 14a; GewStDV § 25 Abs. 1; GmbHG §§ 5a, 13 Abs. 3; HGB § 6 Abs. 2, § 238 Abs. 1, § 242 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Klägerin in 2016 zur (elektronischen) Abgabe ihrer Steuererklärungen verpflichtet bzw. der Beklagte infolge der Nichtabgabe der Unterlagen zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen berechtigt war.
Klägerin ist die G. UG (haftungsbeschränkt), die im vereinfachten Verfahren nach § 2 Abs. 1a des Gesetzes betreffend der Gesellschaften mit beschränkter Haftung – GmbHG – am 20. Dezember 2012 errichtet und am 21. Januar 2013 ins Handelsregister eingetragen (HRB 203093 des Amtsgerichts München) wurde. Zum 31. März 2020 wurde die Gesellschaft aufgelöst und der bis dahin alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer, G., zum alleinigen Liquidator bestellt. Gegenstand des Unternehmens war die …. Das Stammkapital betrug 500 EUR. G., geboren am 13. November 1960 ist Fachanwalt für Erbrecht und als Rechtsanwalt selbständig tätig.
Der Beklagte (das Finanzamt; im Folgenden: FA) forderte die Klägerin mehrfach zur Abgabe der Steuererklärungen für 2016 auf. Dabei wurde auch explizit darauf hingewiesen, dass die Klägerin verpflichtet sei, die Erklärungen elektronisch abzugeben.
Die Klägerin reichte ihre Körperschaftsteuererklärung 2016 mit Schreiben vom 18. Februar 2018 und die Gewerbesteuererklärung 2016 mit Schreiben vom 3. März 2018 in Papierform beim FA ein. Eine elektronische Übermittlung der Steuererklärungen erfolgte – wie bereits in den Vorjahren 2014 und 2015 – nicht. Die Bilanz bzw. die Gewinn- und Verlustrechnung (im Folgenden: GuV) wurden ursprünglich für das Streitjahr weder in Papierform eingereicht, noch elektronisch übermittelt. Die Klägerin erklärte einen Steuerbilanzgewinn bzw. Jahresüberschuss von jeweils 0 EUR.
Mit Bescheiden vom 29. März 2018 schätzte das FA die Besteuerungsgrundlagen für 2016. Es setzte einen Steuerbilanzgewinn bzw. Jahresüberschuss in Höhe von 3.000 EUR an, sodass Körperschaftsteuer i.H.v. 450 EUR und ein Gewerbesteuermessbetrag i.H.v. 105 EUR festgesetzt wurden. Zudem wurde ein Verspätungszuschlag zur Körperschaftsteuer 2016 i.H.v. 45 EUR festgesetzt. Insoweit wurde in den Erläuterungen des Bescheides ausgeführt, dass der Verspätungszuschlag „wegen Nichtabgabe / verspäteter Abgabe der Steuererklärung / Steueranmeldung festgesetzt” wurde. Das steuerliche Einlagekonto als auch das durch Umwandlung von Rücklagen entstandenen Kapital wurden zum 31. Dezember 2016 auf 0 EUR festgestellt. Die Bescheide für 2016 über die Körperschaftsteuer, den Gewerbesteuermessbetrag und die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 des Körperschaftsteuergesetzes – KStG – zum 31. Dezember 2016 ergingen jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Mit Schreiben vom 4. April 2018 legte die Klägerin hiergegen Einsprüche ein. Zur Begründung brachte sie vor, dass sie nicht tätig gewesen sei und keine Gewinne erzielt habe. Ein Gewinn von 3.000 EUR würde bei einer Umsatzrendite von fünf Prozent einem Jahresumsatz von 60.000 EUR entsprechen. Anhaltspunkte für einen derart hohen Umsatz lägen nicht vor. Es müssten dann ja auch Vorsteuererstattungen eingegangen sein, was nicht der Fall gewesen sei. Zudem seien die Schätzungsbescheide bereits deswegen rechtswidrig, weil Steuererklärungen vorgelegt worden seien. Der Ansatz eines zehn prozentigen Verspätungszuschlages sei ermessensfehlerhaft. Die Festsetzung sei zudem nicht begründet worden und daher rechtswidrig.
Mit Schreiben vom 12. April 2018 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass die in Papierform eingereichte Körperschaftsteuererklärung verfahrensr...