Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträgliche, in wesentlichen Punkten vom Testament abweichende Abänderung der vom Erblasser verfügten Stellung der Ehefrau als Alleinerbin und der Tochter als Vermächtnisnehmerin durch eine nachträglich unter Beteiligung der Testamentsvollstrecker erstellte notarielle Urkunde erbschaftsteuerlich unbeachtlich
Leitsatz (redaktionell)
1. Für den Umfang und den Wert des erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbes durch Vermächtnis (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) ist grundsätzlich die Rechtslage im Zeitpunkt der Entstehung der Erbschaftsteuer mit dem Tode des Erblassers maßgebend. Etwaige nach dem Tode des Erblassers zwischen den erbrechtlich beteiligten Personen geschlossene Vereinbarungen können – zumindest im Grundsatz – Umfang und Wert des erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbes deshalb nachträglich nicht mehr beeinflussen.
2. Die erbschaftsteuerrechtliche Anerkennung eines Erbvergleiches stellt eine nicht weiter verallgemeinerungsfähige Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass weder die Erben noch sonst am Nachlass beteiligte Personen berechtigt sind, den Kreis der steuerpflichtigen Personen oder den Umfang der steuerpflichtigen Bereicherung nach dem Erbfall durch freie Vereinbarung eigenmächtig neu zu bestimmen.
3. Ist nach dem notariellen Testament die Ehefrau Alleinerbin und die Tochter des Erblassers Vermächtnisnehmerin geworden und sollen die der Alleinerbin übertragenen zahlreichen Verpflichtungen, u. a. zur Übertragung von GmbH-Anteilen im Wege von Vermächtnissen, von Testamentsvollstreckern erledigt werden, und wird später nach dem Tod des Erblassers in einer notariellen Urkunde unter Mitwirkung der Testamentsvollstrecker die Tochter des Erblassers lediglich im Nachhinein – unter erheblicher Abweichung von den testamentarischen Verfügungen des Erblassers – schuldrechtlich so gestellt, als ob sie Rechtsnachfolgerin des Erblassers geworden wäre, so kommt diesen Vereinbarungen eine erbrechtliche Rückwirkung nicht zu. Die Erbschaftsteuer für die Tochter des Erblassers ist deswegen allein aufgrund der letztwilligen Verfügungen des Erblassers in dessen notariellem Testament festzusetzen.
Normenkette
ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 2, §§ 11, 12 Abs. 2; BewG § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 3; BGB §§ 2147, 133
Tenor
1. Der Erbschaftsteuerbescheid vom 18. Mai 2017 wird dahingehend geändert, dass die Erbschaftsteuer der Klägerin auf 28.389.570,– EUR herabgesetzt wird.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
4. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Ausgang des vorliegenden Rechtsstreites ist die Rechtsfrage, ob eine vom Erblasser herrührende, erst mehrere Jahre nach dem Erbfall fällig werdende und von der Klägerin zu erfüllende Verpflichtung zur unentgeltlichen Übertragung von Geschäftsanteilen an einer Kapitalgesellschaft abgezinst werden muss. Vorab bleibt die zunächst zwischen den Beteiligten nicht kontrovers behandelte Rechtsfrage zu klären, ob die Bestimmung des Umfanges des erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbes der Klägerin durch Vermächtnis nach den letztwilligen Verfügungen des Erblassers in seinem notariellen Testament oder nach den Regelungen in den postmortal notariell beurkundeten Vereinbarungen zur Vermächtniserfüllung zu erfolgen hat.
Die Klägerin ist die Tochter des am 2. Juli 2013 verstorbenen X (im weiteren Erblasser). Der Erblasser hatte aufgrund des am 21. Juli 2012 abgegebenen notariellen Schenkungsversprechens des Y, sämtliche Anteile der Fa. Z GmbH mit damaligem Sitz in … (im weiteren GmbH genannt) erhalten. Das Gesellschaftsvermögen der GmbH bestand aus einer ursprünglich erst zum Januar 2013 fällig werdenden Forderung von über … EUR. Nachdem der Erblasser die Forderung vorab zum 18. Oktober 2012 fällig gestellt hatte, befanden sich schließlich im Gesellschaftsvermögen der GmbH zu diesem Zeitpunkt 3 Mio. Stückaktien der N AG im Wert von … EUR sowie eine Forderung im Wert von … EUR. Mit notarieller Urkunde vom 13. Februar 2013 … hatte der Erblasser mit seiner Ehefrau, …, und mit der Klägerin einen als Schenkungsversprechen und ehevertragliche Vereinbarung überschriebenen Vertrag geschlossen. In dem hier streitrelevanten Teil der notariellen Urkunde hatte er sich seiner Ehefrau sowie der Klägerin gegenüber verpflichtet, ihnen jeweils 2.525, nach Ordnungsnummern konkret bestimmte, Geschäftsanteile an der GmbH zu schenken, wobei die sachenrechtliche Übertragung der Anteile aus rechtlichen Gründen, die auf den Vereinbarungen des Erblassers mit Y beruhten, erst bis zum 31. Dezember 2018 vorgesehen war. Mit weiteren notariellen Urkunden von demselben Tag … hatte der Erblasser gegenüber drei anderen Personen, namentlich gegenüber A, B und C, ebenfalls a...