Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung der bei Steuerhinterziehung vorgesehenen 10-jährigen Festsetzungsfrist bei einer zu einer Steuererstattung führenden Selbstanzeige
Leitsatz (redaktionell)
Werden bisher nicht versteuerte Kapitaleinkünfte im Rahmen einer Selbstanzeige nacherklärt, so ist der Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt und das FA verpflichtet, den Einkommensteuerbescheid innerhalb der 10-jährigen Festsetzungsfrist aufgrund einer nachträglich bekannt gewordenen Tatsache zu ändern, wenn es infolge ebenfalls nacherklärter anrechenbarer Körperschaft- und Kapitalertragsteuer ingesamt gesehen zu einer Steuererstattung kommt.
Normenkette
AO § 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 S. 1, § 173 Abs. 1 Nr. 1, § 170 Abs. 2 Nr. 1, § 169 Abs. 2 S. 2
Nachgehend
Tenor
1. Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides des Beklagten vom 2.2.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8.8.2005 wird der Beklagte zum Erlass des begehrten Einkommensteueränderungsbescheides verpflichtet.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Kläger streiten über die Änderung des Einkommensteuerbescheides 1997 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und die Frage, ob Festsetzungsverjährung eingetreten ist.
Die Kläger wurden für das Streitjahr 1997 als Ehegatten zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Sie erklärten für das Jahr 1997 in ihrer am 29.3.1999 (Frühleerung) beim Beklagten (dem Finanzamt FA) eingegangenen Einkommensteuererklärung vom 28.3.1999 Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die vom Beklagten (dem Finanzamt FA) antragsgemäß veranlagt wurden. Der Einkommensteuerbescheid vom 21.6.1999 setzte eine Einkommensteuer von 0 fest und erging nach § 165 Abs. 1 S. 2 AO teilweise vorläufig im Hinblick auf anhängige Verfassungsbeschwerden. Mit Schreiben vom 23.12.2004 reichten die Kläger eine Selbstanzeige und strafbefreiende Erklärung für bisher nicht erklärte Einkünfte aus Kapitalvermögen für die Jahre 1993 bis 2002 ein und erklärten für das Streitjahr 1997 Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von DM in der Anlage KSO. An anrechenbarer Kapitalertragsteuer erklärten die Kläger DM, an anrechenbarer Körperschaftsteuer DM und an anzurechnendem Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer DM. Eine Probeberechnung des FA ergab, dass sich bei Veranlagung der nacherklärten Kapitalerträge eine Einkommensteuer von DM und nach der Abzug der anzurechnenden Kapitalertragsteuer in Höhe von DM und der Körperschaftsteuer in Höhe von DM eine Steuererstattung von DM ergeben hätte.
Das FA lehnte die Änderung des Einkommensteuerbescheides 1997 und daran anknüpfend die Anrechnung der Kapitalertragsteuer mit Schreiben vom 2.2.2005 mit dem Hinweis darauf ab, dass Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Die Anwendung der 10-jährigen Festsetzungsfrist setze voraus, dass der Tatbestand der Steuerhinterziehung objektiv und subjektiv erfüllt sei. Übersteige die auf die nachträglich bekannt gewordenen Kapitalerträge entfallende Kapitalertragsteuer den Einkommensteuer-Mehrbetrag, der sich bei der Erfassung der nachträglich bekannt gewordenen Kapitalerträge ergebe, liege bereits objektiv der Tatbestand der Steuerhinterziehung nicht vor. Eine Anrechnung der Kapitalertragsteuer könne wegen § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG nicht vorgenommen werden. Die nachträgliche Anrechnung der Kapitalertragsteuer scheide aus, wenn die betreffenden Kapitalerträge wegen eingetretener Festsetzungsverjährung nicht mehr der Einkommensteuer unterworfen werden können. Der daraufhin von den Klägern rechtzeitig eingelegte Einspruch ist erfolglos geblieben. Wegen der Einzelheiten zur Begründung wird auf die Einspruchsentscheidung des FA vom 8.8.2005 Bezug genommen.
Die auf die Einspruchsentscheidung erhobene Klage begründen die Kläger damit, dass der objektive Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt sei, wenn Steuern nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt seien. Die Anrechnung der Kapitalertragsteuer falle nicht unter die Festsetzung der Steuer, sondern unter die Steuererhebung. Wären die Einkünfte aus Kapitalvermögen richtig erklärt worden, so wäre die festzusetzende Einkommensteuer höher gewesen als ohne diese Einkünfte. Zudem sei für das Streitjahr 1997 die Kirchensteuer zu niedrig festgesetzt worden, weshalb insoweit der objektive Tatbestand der Steuerhinterziehung vorliege. Wegen des weiteren Vorbringens wird Bezug genommen auf den Schriftsatz des Klägervertreters vom 17.8.2005.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
unter Aufhebung der Ablehnung der Änderung des Einkommensteuerbescheides 1997 vom 2.2.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8.8.2005 das FA dahin zu verpflichten, da...