rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Erbschaftsteuerbefreiung für Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 1 ErbStG bei Umzug der pflegebedürftigen Erblasserin von der Wohnung im Obergeschoss in Wohnung im Erdgeschoss des später vererbten Hauses und Vermietung der Erdgeschoss-Wohnung nach dem Tod der Erblasserin an Angehörige der Erbin
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat die Erblasserin vor ihrem Tod im Erdgeschoss eines Zweifamilienhauses und die sie pflegende spätere Alleinerbin mit ihrer Familie in der weiteren Wohnung im Obergeschoss des Zweifamilienhauses gelebt und vermietet die Alleinerbin die Wohnung der Erblasserin im Erdgeschoss nach kurzem Leerstand nach dem Tod der Erblasserin an Angehörige (hier: ihre Söhne), so steht ihr die Steuerbefreiung für ein Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 1 ErbStG für die Erbgeschoss-Wohnung nicht zu; eine Vermietung (auch an Angehörige) ist keine Selbstnutzung i. S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG.
2. Hat die Erblasserin die Wohnung im Obergeschoss früher zwar selbst, aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit und der damit einhergehenden körperlichen Einschränkungen bereits mehr als drei Jahre vor ihrem Tod aber nicht mehr i. S. d. § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 1 ErbStG zu eigenen Wohnzwecken genutzt, sondern ihrer Adoptivtochter unentgeltlich zur Nutzung überlassen, und ist sie deswegen in die Erdgeschoss-Wohnung umgezogen, so kommt die Steuerbefreiung auch für die Wohnung im Obergeschoss nicht in Betracht.
3. Die Steuerbefreiung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 1 ErbStG wird auch dann zugelassen, wenn die Erblasserin aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert gewesen ist, z. B. bei schweren Erkrankungen oder krankheitsbedingten längeren stationären Klinik- oder Sanatoriumsaufenthalten. Die zwingenden objektiven Hinderungsgründe können nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Befreiungsvorschrift die Selbstnutzung durch den Erblasser bis zum Eintritt des Erbfalles aber nur dann ersetzen, wenn diese Hinderungsgründe die Führung eines eigenen Hausstands im Familienheim nicht ermöglichen; sie liegen also nicht vor, wenn die Erblasserin einen bestehenden Hausstand aufgegeben und im gleichen Haus einen neuen Hausstand begründet hat.
Normenkette
ErbStG § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin im Rahmen der gegen sie festgesetzten Erbschaftsteuer die Steuerbefreiung unter dem Gesichtspunkt des Erwerbs des Familienheims zusteht.
Die am … 2014 verstorbene E im Folgenden: Erblasserin) wurde aufgrund testamentarischer Erbfolge von ihrer Adoptivtochter … – der Klägerin – allein beerbt.
Zum Nachlass zählte (neben weiterem – zwischen den Beteiligten nicht mehr streitigen – Vermögen) u.a. das mit einem Zweifamilienhaus bebaute Grundstück X-weg 1 in YYY (FlurNr. XXX der Gemarkung Z). Das Zweifamilienhaus bestand (zunächst, d.h. bis zur Aufstockung der Garage im Jahr 2010) aus zwei gleich großen Wohnungen im Erdgeschoß (EG) und Obergeschoß (OG) mit jeweils 93,6 qm Wohnfläche.
Die Erblasserin wohnte bis zum Jahr 2010 in der Wohnung im OG des Hauses X-weg 1 in YYY. Ende 2010 zog die Erblasserin in die Wohnung im EG. Die Wohnung im OG wurde Ende 2010 durch einen Anbau (Überbau über der angrenzenden Garage) erweitert. Die Kosten für diese Wohnungserweiterung i.H.v. 85.000 EUR trug die Klägerin sowie deren Ehemann. Nach der Erweiterung hatte die Wohnung im OG eine Wohnfläche von 138,8 qm. Am 10. Januar 2011 bezog die Klägerin mit ihrer Familie (Ehemann und vier Kinder, mithin insgesamt sechs Personen) die Wohnung im OG. Ihre bisherige Wohnung in … in YYY gab die Klägerin nach dem Umzug in die Wohnung im OG des Hauses X-weg 1 in YYY auf. Da die Erblasserin gesundheitlich eingeschränkt war, zu 50% körperbehindert und pflegebedürftig war, übernahm die Klägerin die Pflege der Erblasserin. Die Klägerin bezahlte keine Miete für die Nutzung der Wohnung im OG.
Nach dem Tod der Erblasserin am 2. Februar 2014 wurde die Wohnung im EG von der Klägerin geräumt und stand zunächst leer. Die Klägerin zog in die Wohnung im EG zu keinem Zeitpunkt selbst ein. Seit dem 1. Juli 2015 ist die Wohnung im EG an die beiden Söhne der Klägerin …. vermietet.
Im Rahmen der am 3. März 2015 beim beklagten Finanzamt (FA) eingegangenen Erbschaftsteuererklärung machte die Klägerin für den Erwerb des Grundstücks X-weg 1 in YYY die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) geltend.
Am 29. Juli 2015 erließ das FA einen nach § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) vorläufigen Erbschaftsteuerbescheid, in dem die Erbschaftsteuer i.H.v. 55.305,00 EUR festgesetzt wurde. Dieser Steuerfestsetzung legte das FA unter anderem einen Wert des Grundstücks X-weg 1 in YYY – den Angaben der Klägerin in der Erbschaftsteuererklärung folgend – i.H.v. 506.140 EUR zugrunde. Ferner gewährte das FA die...