Entscheidungsstichwort (Thema)
Prüfung der Freigrenze des § 23 Abs. 3 Satz 5 EStG 1997 i.d.F. v. 24.3.1999 nach Vornahme des Verlustvor- oder -rücktrags. Freigrenze des § 23 Abs. 3 Satz 5 EStG 1999 (= § 23 Abs. 3 Satz 6 EStG 2004) bei Verlustrücktrag. Einkommensteuer 1999
Leitsatz (redaktionell)
Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften sind vor Berücksichtigung der Freigrenze nach § 23 Abs. 3 Satz 5 EStG 1997 i.d.F. v. 24.3.1999 (bzw. Satz 6 EStG 2002 i.d.F. v. 29.12.2003) mit Verlustvorträgen und – rückträgen i.S. § 23 Abs. 3 Satz 7 EStG 1997 i.d.F. v. 24.3.1999 (bzw. Satz 9 EStG 2002 i.d.F. v. 29.12.2003) zu verrechnen.
Normenkette
EStG 1997 i.d.F. v. 24.3.1999 § 23 Abs. 3 S. 5; EStG 1997 i.d.F. v. 24.3.1999 § 23 Abs. 3 S. 7; EStG 2002 i.d.F. v. 29.12.2003 § 23 Abs. 3 S. 6; EStG 2002 i.d.F. v. 29.12.2003 § 23 Abs. 3 S. 9
Nachgehend
Tenor
1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 15. April 2002 und Änderung des Einkommensteuerbescheids für 1999 vom 21. September 2001 wird die Einkommensteuer für 1999 auf 14.859,16 EUR (= 29.062 DM) herabgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
4. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Verlustrücktrag nach § 23 Abs. 3 Satz 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1999 (= § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG 2004) vor oder erst nach Berücksichtigung der Freigrenze des § 23 Abs. 3 Satz 5 EStG 1999 (= § 23 Abs. 3 Satz 6 EStG 2004) bei den Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften im Abzugsjahr vorzunehmen ist.
Die Kläger, zusammenveranlagte Eheleute, erzielten im Jahre 1999 u.a. folgende Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften:
Ehemann: |
1.164 DM |
Ehefrau: |
1.163 DM |
Diese Einkünfte fanden Eingang in den ESt-Bescheid für 1999 vom 25.8.2000 sowie dem aus anderen Gründen geänderten ESt-Bescheid für 1999 vom 16.10.2000.
Im Jahre 2000 erklärten die Kläger nachfolgende Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften:
Ehemann: |
900 DM |
Ehefrau: |
899 DM |
Sie beantragten den Rücktrag folgender Teilbeträge nach §§ 23 Abs. 3 Satz 7, 10 d Abs. 1 Satz 8 EStG 1999:
Ehemann: |
165 DM |
Ehefrau: |
164 DM |
Der Beklagte (Finanzamt) erließ daraufhin am 21.9.2001 einen erneut geänderten ESt-Bescheid für 1999, der bei einem zu versteuernden Einkommen von 123.057 DM eine Einkommensteuer von 29.794 DM auswies. In dem zu versteuernden Einkommen hatte das Finanzamt die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften des Ehemannes mit 999 (1.164 ./. 165) DM und der Ehefrau ebenfalls mit 999 (1.163 ./. 164) DM erfasst, d.h. die im Streitjahr geltende Freigrenze von 1.000 DM nicht berücksichtigt.
Hiergegen legten die Kläger rechtzeitig Einspruch ein und beantragten, bei Ermittlung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften 1999 die Freigrenze des § 23 Abs. 3 Satz 5 EStG 1999 zu beachten.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 15.4.2002). Das Finanzamt vertrat die Ansicht, dass die Freigrenze des § 23 Abs. 3 Satz 5 EStG 1999 vor einem Verlustrücktrag anzuwenden sei. Die Berücksichtigung eines Verlustrücktrags nach § 10 d EStG erfolge nicht im Bereich der Einkunftsermittlung selbst, sondern mindere den verbliebenen Gesamtbetrag der Einkünfte.
Hiergegen richtet sich die am 22.4.2002 bei Gericht eingegangene Klage. Die Kläger vertreten die Auffassung, entgegen der Ansicht des Finanzamts sei ein Verlustrücktrag nach § 23 Abs. 3 Satz 7 EStG 1999 im Bereich der Einkunftsermittlung, d.h. bei der Gewinnermittlung aus privaten Veräußerungsgeschäften vorzunehmen und nicht im Sonderausgabenbereich. Wenn aber der Verlustrücktrag im Bereich der Gewinnermittlung erfolge, werde auch der Gewinn dieses Jahres korrigiert und erst danach geprüft, ob die Freigrenze eingreife oder nicht. Im Übrigen sei die Vorschrift des § 23 Abs. 1 EStG 1999 verfassungswidrig, wie auch der Entscheidung des Bundesfinanzhof mit dem Aktenzeichen IX R 62/99 entnommen werden könne.
Das Finanzamt beantragt unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 15.4.2002 Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
II.
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Entscheidung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
Die Klage ist begründet.
Zu Unrecht hat das Finanzamt bei der Ermittlung der im Jahre 1999 steuerlich zu erfassenden Einkünfte der Kläger aus privaten Veräußerungsgeschäften die Freigrenze des § 23 Abs. 3 Satz 5 EStG 1999 außer Ansatz gelassen. Der nach Berücksichtigung des von den Klägern höhenmäßig festgelegten Verlustrücktrags nach § 10 d Abs. 1 verbleibende Betrag der Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften des Jahres 1999 betrug bei den Klägern jeweils 999 DM und lag damit unter der Freigrenze des § 23 Abs. 3 Sa...