Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld Januar 1996 bis August 1996
Tenor
I. Der Beklagte wird verpflichtet, für das Kind J. … ab Januar 1996 bis August 1996 Kindergeld festzusetzen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in der gleichen Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Der Kläger (Kl) ist Vater des Kindes J. …, das am … 1974 geboren wurde. Nach Abschluß der Realschule im Juli 1993 leistete J. vom 1. Januar 1994 bis 31. März 1995 Zivildienst.
Ab September 1995 besuchte J. die „N.” in M., E., um sich zum Jazzpianisten ausbilden zu lassen. Er erhielt dort 8 Wochenstunden (à 45 Minuten) Unterricht in verschiedenen Fächern (vgl. im einzelnen den Lehrplan Bl. 199 f. Kindergeld-Akte). Nach Angabe des Kl benötigte J. für häusliche Übungen täglich 6 Stunden bzw. wöchentlich 42 Stunden (vgl. auch Bestätigung der N. vom 1. Oktober 1996).
Der Antrag auf Gewährung von Kindergeld für die Dauer dieser Ausbildung wurde am 15. März 1996 durch das Arbeitsamt D. – Familienkasse – (AA) abgelehnt.
Der dagegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung –EE– vom 8. Mai 1996). In der Begründung geht das AA davon aus, daß die Musikausbildung des Sohnes keine Berufsausbildung sei. Gehe man von dem gleichen Zeiterfordernis für die häusliche Vorbereitung wie für den Unterricht aus, so sei das Kind lediglich 12 Stunden in der Woche beschäftigt gewesen. Da eine Berufsausbildung die Zeit und Arbeitskraft des Kindes überwiegend in Anspruch nehmen müsse – das seien mindestens 30 Stunden –, liege dann keine Berufsausbildung vor. Gehe man von dem angegebenen Zeitaufwand von wöchentlich 42 Stunden für häusliche Vor- und Nacharbeiten aus, sei das Verhältnis zwischen diesen und dem Unterricht nicht ausgewogen.
Seit September 1996 studiert J. am M. der Stadt N.. Ab diesem Zeitpunkt erhält der Kl wieder Kindergeld.
Mit seiner Klage verfolgt der Kl weiterhin die Anerkennung der Ausbildung an der N. als Berufsausbildung mit dem Ziel, Kindergeld für die Monate Januar bis August 1996 zu erhalten.
Neben dem Schulbesuch von wöchentlich ca. 10 bis 11 Stunden (mit Fahrzeiten) seien täglich 6 Stunden häusliche Vorbereitung zu berücksichtigen. Diese Zeit betreffe die Übungen an Klavier und Querflöte, die Erweiterung des theoretischen Wissens, Improvisationsübungen und kompositorische Übungen. Die Übungszeit an einem Soloinstrument wie Klavier sei weit intensiver als bei einem Orchesterinstrument. Ein Musiker müsse, um perfekt zu werden, einen wesentlichen Teil seiner Zeit auf Übungen am Instrument verwenden. Ausgewogenheit zwischen Unterricht und häuslicher Vorbereitung könne nur bedeuten, daß dem Studierenden so viel Anleitung und Theorie vermittelt wird, daß er in die Lage versetzt wird zu lernen, sein Instrument zu beherrschen und mit anderen zusammen zu musizieren.
Auch die Regierung von Oberbayern habe die Lehrpläne der N. genehmigt.
Der Kl beantragt,
den Verwaltungsakt des AA D. vom 15. März 1996 in Gestalt der EE vom 8. Mai 1996 betreffend Kindergeld für die Monate Januar bis August 1996 aufzuheben und das AA zu verpflichten, für das Kind J. Kindergeld in Höhe von monatlich 200 DM ab Januar 1996 bis August 1996 festzusetzen.
Das AA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es auf seine EE und führt ergänzend aus, daß nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zum Bundeskindergeldgesetz a.F. eine Schul- bzw. Berufsausbildung nur dann vorliege, wenn sie Zeit und Arbeitskraft des Kindes überwiegend in Anspruch nehme, so daß daneben die Ausübung einer Erwerbstätigkeit von mindestens 18 Stunden wöchentlich nicht zumutbar sei. Danach liege eine solche Ausbildung vor, wenn die tatsächliche Unterrichts- bzw. Ausbildungszeit zuzüglich eines Zeitzuschlages – üblicherweise von gleicher Dauer – für häusliche Vor- und Nacharbeiten sowie ggf. Wegezeiten 30 Stunden wöchentlich bei Erwachsenen überschreiten würden.
Bei der Ausbildung zu einem künstlerischen Beruf könne zwar der Zeitaufwand für die häuslichen Vor- und Nacharbeiten durchaus höher sein als die Unterrichtszeit. Jedoch müsse die Verteilung des Zeitaufwandes insgesamt ausgewogen erscheinen. Bei einer häuslichen Nacharbeit des Kindes von täglich etwa 6 Stunden müßten mindestens wie bei der Fachakademie für Kunst der Stadt Würzburg für einen Jazz-Saxophonisten 20 Stunden Unterricht an der Schule besucht werden. Bei einem krassen Mißverhältnis wie beim Sohn des Kl von 8 Unterrichtsstunden (6 Vollstunden) an der Schule und 36 häuslichen Nachbereitungsstunden könne von einer Berufsausbildung nicht gesprochen werden. Ein derart krasses Mißverhältnis zwischen Unterricht und häuslicher Vor- und Nacharbeit führe dazu, daß allenfalls die häuslichen Arbeitsstunden in einer dem Unterricht entsprechenden Größenordnung angesetzt werden müs...