rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiederaufnahme des Verfahrens und Benennung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten
Leitsatz (redaktionell)
1. Die mangelnde Vertretung nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO umfasst auch die Fälle, in denen ein Beteiligter aus tatsächlichen Gründen gehindert ist, seine Belange wahrzunehmen.
2. Anwendungsvoraussetzung des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ist, dass die mangelnde Vertretung des Klägers auf verfahrensfehlerhaftes Verhalten des Gerichts zurückzuführen ist.
3. Die Voraussetzungen des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO sind erfüllt, wenn das Finanzgericht bei der Ladung zur mündlichen Verhandlung den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt und dadurch einem Beteiligten die Teilnahme unmöglich macht.
4. Wurde die Klägerin zur mündlichen Verhandlung im Vorverfahren ordnungsgemäß, nach der erfolglosen Aufforderungen, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, nach § 53 Abs. 3 Satz 2 FGO mit einfachem Brief geladen und ist trotz ordnungsgemäßer Ladung niemand erschienen, ist der Wiedereinsetzungsgrund § 579 Abs. 1 Nr. 4 FGO nicht erfüllt.
5. Für die Aufforderung, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, ist ein Beschluss nicht erforderlich; ausreichend ist, auf richterliche Anordnung hin, eine Aufforderung durch die Geschäftsstelle des Gerichts.
6. Mit den Worten „Bevollmächtigt Finanzminister Dr. Söder Nbg.” ist keine wirksame Benennung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten im Sinne des § 53 Abs. 3 FGO erfolgt.
Normenkette
FGO § 53 Abs. 3, § 134; ZPO § 579 Abs. 1 Nr. 4, §§ 580, 184; AO § 123
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) bestehend aus den Gesellschaftern [… (XX)] und [… (YY)]; die beiden Gesellschafter sind jeweils zur Hälfte an der Klägerin beteiligt. Zur Geschäftsführung ist allein XX befugt und verpflichtet.
Die Klägerin wendete sich mit ihrer Klage im Klageverfahren Az. 12 K 3255/15 gegen die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 2008, 2009, 2010 und 2011 sowie gegen die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für 2010 und 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. November 2015. Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. August 2018 wurde die Klage vom 12. Senat des Finanzgerichts (FG) München durch den Einzelrichter als unbegründet abgewiesen. Im Urteil ist ausgeführt, dass trotz Ausbleiben eines Vertreters der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gemäß § 91 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) verhandelt und entschieden werden konnte. Denn die Ladung wurde durch Aufgabe zur Post am 3. Juli 2018 ordnungsgemäß zugestellt, da die Klägerin der gerichtlichen Aufforderung an ihren Geschäftsführer und Vertreter vom 24. Oktober 2017, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen, nicht nachgekommen ist. Das Urteil vom 21. August 2018 im Klageverfahren 12 K 3255/15 wurde am 27. August 2018 adressiert an die Adresse des XX in Thailand zur Post gegeben. Die Briefsendung kam am 28. März 2019 als unzustellbar an das FG München zurück.
Mit ihrer am 30. April 2020 beim FG eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Wiederaufnahme des Verfahrens Az. 12 K 3255/15 (Dok-Nr. 4). Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, dass sie die Ladung vom 2. Juli 2018 zur mündlichen Verhandlung nicht erhalten habe. Die Ladung hätte an ihren Geschäftsführer XX über die deutsche Botschaft in Thailand zugestellt werden müssen. Das Urteil sei auch rechtswidrig, da es der Klägerin nicht möglich gewesen sei, in der mündlichen Verhandlung Urkunden und Beweismittel vorzulegen. Im Übrigen habe die Klägerin die Aufforderung vom 24. Oktober 2017, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen, nicht erhalten. Der Geschäftsführer der Klägerin XX habe sich zu diesem Zeitpunkt in Thailand aufgehalten. Im Übrigen sei der Einzelrichter […] (VRiFG CC) auch befangen (Dok-Nr. 7). Außerdem leide das Urteil vom 21. August 2018 auch an inhaltlichen Mängeln; so verkenne das Urteil, dass eine GbR auch eine stille Gesellschaft ohne Tätigkeit der Gesellschafter sei (Dok-Nr. 65).
Mit gerichtlichem Schreiben vom 9. Januar 2023 (Dok-Nr. 50) wurde die Klägerin im vorliegenden Klageverfahren aufgefordert, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten im vorliegenden Klageverfahren auf Wiederaufnahme zu benennen. Mit Schreiben vom 3. Februar 2023 (Dok-Nr. 55) hat die Klägerin vorgetragen, dass es unzulässig sei, wenn das Gericht im Streitfall nach § 53 Abs. 3 FGO verfahre und zum inländischen Zustellungsbevollmächtigten würden die […] (D-RA) in [… L-Stadt] bestellt (Dok-Nr. 56). Auf die gerichtliche Anfrage, ob die D-RA als inländische Zustellungsbevollmächtigte im Streitfall registriert werden könnten, haben die D-RA mitgeteilt, dass sie diesen Auftrag als inländische Zustellungsbevollmächtigten der Klägerin nicht übernehmen werden (Dok-Nr. 63).
Mit Beschluss vom 9...