Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Erbschaftsteuerfreistellung wegen Familienheims bei unregelmäßigem Wohnen des Erblassers in der streitigen, hauptsächlich von den Kindern genutzten Wohnung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Nutzung einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken des Erblassers als Voraussetzung für die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 1 ErbStG erfordert einen hauptsächlichen Wohnaufenthalt in dieser Wohnung in der Art, dass sich hier der Mittelpunkt des familiären Lebens des Erblassers befunden hat. Besuchsweise Aufenthalte des späteren Erblassers zu Familienfesten, Geburtstagen oder Festtagen wie Ostern und Weihnachten in einer dem Erblasser gehörenden, aber hauptsächlich von seinem Sohn und späteren Erben zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung begründen auch dann keine die Steuerfreistellung rechtfertigende Selbstnutzung durch den Erblasser, wenn die Wohnung früher einmal die Hauptwohnung des Erblassers gewesen ist und wenn dort jederzeit ein Zimmer für den Erblasser zur Verfügung gestanden hat.
2. Hat der Erblasser bedingt durch sein Alter und seinen Gesundheitszustand vor seinem Tod infolge Pflegebedürftigkeit seinen Wohnsitz aus dem bisherigen Familienheim in ein Pflegeheim verlegt, so ist darin ein „zwingender Grund” i. S. d. § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 1 ErbStG zu sehen, der die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung trotz einer in der Zeit im Pflegeheim fehlenden Selbstnutzung des Familienheims rechtfertigt.
3. Der Umstand, dass der Erblasser ausschließlich unter einer anderes Adresse, und nicht etwa unter der Adresse des vermeintlichen Familienheims mit Wohnsitz gemeldet gewesen ist, schließt die behauptete Selbstnutzung des Familienheims zwar nicht grundsätzlich aus, spricht jedoch als ein gewichtiges Indiz eher dagegen.
Normenkette
ErbStG 2009 § 13 Abs. 1 Nr. 4c Sätze 1, 5
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte zum einen befugt war, den Vorbehalt der Nachprüfung in Bezug auf die Festsetzung der Erbschaftsteuer im Rahmen der Einspruchsentscheidung aufzuheben und zum anderen die Freistellung des Werts einer ererbten Wohnung als sog. Familienheim von der Erbschaftsteuer zu Recht versagt hat.
Der Kläger ist Alleinerbe seines am 19. Februar 2009 verstorbenen Vaters, … (im Weiteren Erblasser). Der Erblasser hinterließ ein umfangreiches bewegliches und unbewegliches Vermögen, einschließlich eines Anwesens in A, zweier Eigentumswohnungen in M (Wohneinheit 8 und 9), sowie einer Eigentumswohnung in N. Seinen melderechtlichen Wohnsitz unterhielt der Erblasser bis zum 31. Dezember 1994 in M in der …straße …, dem bislang ununterbrochenen Wohnsitz des Klägers seit dessen Geburt. Mit Wirkung ab dem 1. Januar 1995 meldete sich der Erblasser an die o.g. Adresse in A um, wo er mit einzigem Wohnsitz gemeldet blieb, bis er infolge seines Umzugs in ein Pflegeheim seinen Wohnsitz zum 15. Februar 2007 an die Adresse in A, … änderte. Mit Bescheid vom 3. November 2010 setzte der Beklagte gegen den Kläger aufgrund eines Werts des erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbs von 3.042.398 EUR die Erbschaftsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 466.032 EUR fest. Nach der gesonderten Feststellung der Grundbesitzwerte für die Eigentumswohnungen Nr. 8 und 9 in M durch Bescheide des Finanzamts M setzte der Beklagte unter Beibehaltung des Vorbehalts der Nachprüfung sowie Berücksichtigung weiterer – hier unstreitiger – Besteuerungsgrundlagen die Erbschaftsteuer des Klägers mit Steuerbescheid vom 16. Mai 2011 auf 482.809 EUR herauf. Der Beklagte berücksichtigte hierin einen Wert des Erwerbs von 3.317.192 EUR, wobei er dem Kläger für den Wert der Eigentumswohnung Nr. 8 in M in Höhe von 358.964 EUR die Steuerfreistellung als sog. Familienheim gewährte. Aufgrund der gesonderten Feststellung des Grundbesitzwerts für die Eigentumswohnung in N, …, setzte der Beklagte die Erbschaftsteuer des Klägers wiederum unter Beibehaltung des Vorbehalts der Nachprüfung durch Steuerbescheid vom 15. Juni 2011 auf 488.433 EUR herauf. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 20. Juni 2011 beim Beklagten Einspruch ein, ohne diesen jedoch zunächst zu begründen. Unter anderem die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts für das Anwesen in A durch das Finanzamt A veranlasste den Beklagten zu einer erneuten Änderung der Erbschaftsteuer des Klägers. Der Beklagte ging nunmehr von einem Wert des Erwerbs von 4.243.167 EUR aus und erhöhte die Erbschaftsteuer auf 726.959 EUR. Neben unstreitigen Änderungen ließ er diesmal die Steuerfreistellung des Werts der Eigentumswohnung Nr. 8 in M, als sog. Familienheim unberücksichtigt. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb weiter bestehen. Seinen Einspruch vom 20. Juni 2011 begründete der Kläger nunmehr – von weiteren nicht mehr streitigen Einwendungen abgesehen – mit der fehlenden Berücksichtigung der Steuerfreistellung für das sog. Familienheim. Der Einspruch des Klägers hatte zumindest in diesem Punkt keinen Erfol...