Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt der gewinnwirksamen Erfassung von Dividendenausschüttungen von Investmentfonds bei bilanzierenden Steuerpflichtigen. Transparenzprinzip
Leitsatz (redaktionell)
1. Dividendenausschüttungen von Investmentfonds sind bei bilanzierenden Steuerpflichtigen nach den allgemein geltenden Regelungen in dem Zeitpunkt gewinnwirksam zu erfassen, in dem der Ausschüttungsanspruch zivilrechtlich entsteht. Das Transparenzprinzip des § 40 Abs. 2 KAGG führt nicht dazu, dass stattdessen darauf abzustellen ist, zu welchem Zeitpunkt der Investmentfonds die Dividenden bezogen hat.
2. Die gewerbesteuerliche Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG ist eine gegenüber § 40 Abs. 2 KAGG vorrangige Sonderregelung für die Ermittlung des Gewerbeertrags.
3. Die durch § 36 Abs. 4 GewStG 1999 in der Fassung des UntStFG rückwirkend ab dem 1. Januar 2001 angeordnete Hinzurechnung von Gewinnanteilen bei Auslandsbeteiligungen nach § 8 Nr. 5 GewStG 1999 in der Fassung des UntStFG verstößt gegen die unionsrechtlich verbürgte Kapitalverkehrsfreiheit und ist im Erhebungszeitraum 2001 nicht anzuwenden (Anschluss an BFH, Urteil vom 6.3.2013, I R 14/07, BStBl 2015 II S. 349).
Normenkette
KStG § 8b Abs. 1, § 8 Abs. 1; EStG § 4 Abs. 1, § 11; GewStG 1999 i.d.F. des UntStFG § 8 Nr. 5; GewStG 1999 i.d.F. des UntStFG § 36 Abs. 4; KAGG § 40 Abs. 2, § 39 Abs. 1 S. 2
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist ein Kreditinstitut, das seine Einkünfte durch Bilanzen ermittelt. Ihr Wirtschaftsjahr stimmt mit dem Kalenderjahr überein.
Die Klägerin hielt Anteile an Investmentfonds mit vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahren. Die Investmentfonds schütteten im Streitjahr 2002 Dividendenerträge aus. Die ausgeschütteten Dividenden beruhten in Höhe von X EUR auf Dividenden, die den Investmentfonds bereits im Jahr 2001 zugeflossen waren.
In der Gewerbesteuererklärung für das Jahr 2002 erklärte die Klägerin neben dem Gewerbeertrag ausländische Dividenden aus Streubesitz (§ 8b Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz – KStG–). Diese Dividenden erfasste die Klägerin als gewerbesteuerliche Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 Gewerbesteuergesetz (GewStG).
Das Finanzamt veranlagte die Klägerin erklärungsgemäß mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Bescheid.
Gegen die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags legte die Klägerin Einspruch ein. Nach einer teilweisen Neufassung des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) seien zahlreiche Zweifelsfragen, auch zu den außerbilanziellen Hinzurechnungen, offen.
Im Rahmen einer Außenprüfung änderte das Finanzamt den Gewerbesteuermessbetrag mit Bescheid vom … auf Y EUR. Besteuerungsgrundlage waren, neben einem geänderten Gewinn, weiterhin die erklärten Hinzurechnungen aus ausländischen Dividenden.
Mit Einspruchsentscheidung vom … setzte das Finanzamt den Gewerbesteuermessbetrag auf … EUR fest. … Zu Recht seien auch die den Investmentfonds bereits im Jahr 2001 zugeflossenen Dividenden aus Streubesitz dem Gewerbeertrag hinzugerechnet worden. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei die Regelung des § 8 Nr. 5 GewStG hinsichtlich der Hinzurechnung von Gewinnanteilen bei Auslandsbeteiligungen im Erhebungszeitraum 2001 nicht anzuwenden. Diese Rechtsprechung betreffe indes nicht den Erhebungszeitraum 2002 für den § 8 Nr. 5 GewStG anzuwenden sei und in dem die Klägerin zutreffend die Dividenden erfasst habe. Die Richtigkeit dieser Handhabung ergebe sich auch aus den Erlassen der obersten Finanzbehörden.
Mit der hiergegen gerichteten Klage macht die Klägerin geltend:
Der Gewerbeertrag sei nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) und des KStG zu ermitteln, vermehrt und vermindert um die in § 8 GewStG und § 9 GewStG bezeichneten Beträge. Die streitbefangenen Dividenden seien steuerfrei und nicht in dem körperschaftsteuerlichen Einkommen enthalten. Ausgeschüttete Erträge seien bei Zufluss zu versteuern. Thesaurierte Erträge würden mit Ablauf des Geschäftsjahres, in dem sie vereinnahmt worden seien, als zugeflossen gelten.
Die Hinzurechnung von diesen nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfreien Dividenden zum Gewerbeertrag sei durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts vom 20. Dezember 2001 (UntStFG) in das GewStG eingefügt worden und gelte grundsätzlich für alle ab dem Erhebungszeitraum 2001 bezogenen Dividenden, wenn die Klägerin an der ausschüttenden Gesellschaft nicht zu mehr als 10 % beteiligt sei (Streubesitzdividende, § 8 Nr. 5 GewStG). Erträge (Dividenden) aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, die über Investmentfonds erzielt worden seien, würden nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 18. August 2009 zum Investmentsteuergesetz (InvStG, BStBl I 2009, 931) als sog. Streubesitzerträge gelten.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe mit Beschluss vom 10. Oktober 2013 – 1 BvL 6/07, BG...