Entscheidungsstichwort (Thema)
Vom Erbschein abweichende Auslegung von Testamenten bei der ErbSt
Leitsatz (redaktionell)
An der Vermutung der Richtigkeit des Erbscheins bestehen keine Zweifel, wenn zwei Töchter der Erblin als Miterbinnen bezeichnet werden, wenn die Erblin angeordnet hatte im Testament, daß jede die Hälfte des Nachlasses(Grundstück)bekommen und eine davon (die Klägerin) nach Feststellung des Schätzwerts die Hälfte davon an die Schwester auszahlen solle
Normenkette
ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1; AO § 171 Abs. 10
Tatbestand
Streitig ist, inwieweit bei der Steuerfestsetzung vom erteilten Erbschein abgewichen werden kann.
I.
Die am 8. Mai 1999 in München verstorbene Frau S. wurde lt. Testament vom 3. März 1994 (s. gemeinschaftlicher Erbschein des Amtsgerichts … vom 29. Juli 1999) zu je ½ von Frau M. (verstorben am 20. April 2000) und von der Klägerin beerbt (s. Bl. 3 FA-Akte). Laut Testament sollten beide je zur Hälfte das Haus in Y. bekommen. Die Klägerin sollte nach Feststellung des Schätzpreises die Hälfte davon an Frau M. auszahlen und das Haus übernehmen.
Mit Erbschaftsteuerbescheid vom 19. Mai 2000 setzte der Beklagte, das Finanzamt, die Steuer wie folgt fest:
½-Erbanteil (s. Bl. 52 FA-Akte) |
301.836 DM |
abzüglich Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG |
10.000 DM |
steuerpflichtiger Erwerb |
291.800 DM |
Steuer gemäß Steuerklasse III, 23 % |
67.114 DM |
Für das zum Nachlass gehörende Grundvermögen der Gemarkung Y. wurde der Grundbesitzwert nach den Angaben in der Anlage Grundstücke zur Erbschaftsteuererklärung geschätzt.
Mit Schreiben vom 8. Juni 2000 legte die Klägerin Einspruch ein. Sie trug im Wesentlichen vor, dass sich nicht unmittelbar aus dem Testament ergäbe, wer Erbin der Frau S. geworden sei, daher müsse ausgelegt werden, was die Erblasserin gewollt habe. Danach sei Frau M. nicht Miterbin, sondern lediglich Vermächtnisnehmerin geworden. Um entsprechenden Berichtigung des Erbschaftsteuerbescheides wurde gebeten.
Aufgrund des Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundstückswerts durch das Finanzamt A. vom 15. Mai 2001 erhöhte das Finanzamt am 4. August 2000 die Erbschaftsteuer nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) auf 81.489 DM. Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 17. Juli 2001 als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzamt sah die Anordnung der Erblasserin hinsichtlich der Verteilung des Hälfteanteils des Schätzpreises nur als steuerlich unbeachtliche Teilungsanordnung an.
Mit der Klage trägt die Klägerin vor, dass Frau M. nur Vermächtnisnehmerin geworden sei, und zwar in Höhe von 510.018 DM. Aus § 2087 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ergebe sich, dass diese keineswegs Miteigentümerin des Hauses werden sollte, sondern ihr nur dessen Wert zustehen sollte. Dies folge auch daraus, dass die Klägerin den Erbfall abwickeln und sich um die Beerdigung der Erblasserin kümmern sollte. Dass der Wille der Erblasserin stets darauf ausgerichtet gewesen sei, dass die Klägerin oder die Beigeladene das Haus übernehmen und dann der jeweils nicht Übernehmenden die Hälfte des Verkehrswertes des Hauses ausbezahlt werden sollte, könne Frau Z. bezeugen. Nur um die Abwicklung des Nachlasses nicht zu stören, habe sie keine Einwendungen gegen den Erbschein erhoben. Hier liege ein wichtiger Grund vor, der die Finanzverwaltung dazu verpflichte, die Erbanteile entsprechend dem BFH-Urteil vom 22. November 1995 II R 89/93, BStBl II 1996, 242 selbst zu ermitteln. Da hier letztlich eine Geldsumme zugewendet werde, handle es sich um ein Vermächtnis (so Bay ObLGZ 60, 259; 65, 460).
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Änderung des Erbschaftsteuerbescheids vom 9. Mai 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Juli 2001 die Klägerin als Alleinerbin unter Abzug des Vermächtnisses zu besteuern.
Das Finanzamt beantragt
Klageabweisung.
Mit Beschluss vom 24. Oktober 2002 wurde der Ehemann als Alleinerbe der verstorbenen Frau M. zum Verfahren auf Antrag des Finanzamts vom 4. Oktober 2002 (Bl. 23 FG-Akte) hinzugezogen.
Der Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist unbegründet.
Zu Recht hat das Finanzamt in seiner Einspruchsentscheidung seine frühere Auffassung (s. Schreiben vom 14. Juni 2000, Bl. 65 FA-Akte) revidiert, dass es sich beim Erbschein um einen das Finanzamt bindenden Grundlagenbescheid i. S. des § 171 Abs. 10 AO handle. Dieser beinhaltet nur die Vermutung der Richtigkeit (s. BFH-Urteil vom 22. November 1995 II R 89/93, BStBl II 1996, 242).
Der Umstand, dass die Klägerin den gemeinschaftlichen Erbschein beantragt hat, dessen Inhalt sie nun bestreitet, ist zumindest lt. BFH-Urteil vom 22. November 1995 (a.a.O.) unerheblich (kritisch dazu Barfuss in ZEV 1996, 1999), jedoch kann die Vermutung der Richtigkeit nicht bloß durch eine abweichende Auslegung des die Erbfolge bestimmenden Testaments entkräftet werden (s. BFH-Urteil vom 17. August 1962 VI 70/61 U, BStBl III 1962, 444 sowie Meincke, ErbStG, 13. Aufl., § 3 Rz. 12 m.w.N.), es bedarf dazu schon des Bew...