Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung des inzwischen erhöhten Umsatzsteuersatzes beim Ansatz einer unentgeltlichen Wertabgabe für die Nutzung eines dem Unternehmen nach der Seeling-Rechtsprechung des EuGH zugeordneten Gebäudes zu nichtunternehmerischen Zwecken
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Unternehmer, der ein Gebäude errichtet hat, welches er teilweise unternehmerisch und teilweise nichtunternehmerisch (zu eigenen Wohnzwecken) nutzt, durfte nach der Seeling-Rechtsprechung des EuGH das Gebäude insgesamt seinem Unternehmen zuordnen und die auf das gesamte Gebäude –einschließlich des nichtunternehmerisch genutzten Teils– entfallenden Vorsteuerbeträge nach Maßgabe von § 15 Abs. 1 UStG abziehen; die nichtunternehmerische Verwendung des Gebäudes unterlag als steuerpflichtiger Eigenverbrauch (nunmehr unentgeltliche Wertabgabe) der Umsatzbesteuerung, wobei die unentgeltliche Wertabgabe grundsätzlich in Höhe von zehn Prozent der Gebäudeherstellungskosten anzusetzen ist.
2. Für die Höhe der aus der unentgeltlichen Wertabgabe jeweils entstehenden Umsatzsteuer ist der Steuersatz maßgeblich, der im Zeitpunkt der Ausführung der Leistung, somit zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer gilt.
3. Änderungen des UStG, wie die Erhöhung des Steuersatzes nach § 12 Abs. 1 UStG, sind gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 UStG auf Umsätze anzuwenden, die ab dem Inkrafttreten der maßgeblichen Änderungsvorschrift ausgeführt werden. Da § 27 Abs. 1 Satz 1 UStG nach seinem Wortlaut für steuerbare Umsätze i. S. v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG gilt, gilt die Vorschrift auch für die unentgeltlichen Wertabgaben, die gemäß § 3 Abs. 1b UStG den Lieferungen gegen Entgelt oder gemäß § 3 Abs. 9a UStG einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellt sind.
Normenkette
UStG § 3 Abs. 9a Nr. 1, Abs. 1b, § 12 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 2, § 27 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, § 15 Abs. 1-2, 4; Richtlinie 2006/112/EG Art. 26 Abs. 1 Buchst. a, Art. 93 S. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Höhe des anzuwendenden Steuersatzes beim Ansatz einer unentgeltlichen Wertabgabe für die Nutzung eines dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes zu nichtunternehmerischen Zwecken.
Die Kläger sind Ehegatten. Sie errichteten in den Jahren 2002 bis 2003 einen Anbau an dem Objekt A in B und führten gleichzeitig Sanierungsarbeiten an der Altsubstanz am gleichen Objekt durch. Das Obergeschoss des Anbaus und des Altbaus wurde ab Fertigstellung (August 2003) zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Der Rest des Hauses wurde zeitweise umsatzsteuerpflichtig vermietet. Letztmalig fand bis 30. Oktober 2005 eine teilweise umsatzsteuerpflichtige Vermietung statt. Das Gebäude wurde seit der Fertigstellung im August 2003 in vollem Umfang dem Unternehmensvermögen zugeordnet. Aufgrund der sogenannten Seeling-Regelung wurde für den nichtunternehmerisch genutzten Teil aus sämtlichen Sanierungs- bzw. Herstellungskosten der volle Vorsteuerabzug beantragt und auch berücksichtigt. Die Vorsteuern aus den Sanierungskosten für den nichtunternehmerisch genutzten Teil wurden für die Jahre 2003 und 2004 im Rahmen eines Rechtsbehelfsverfahrens in vollem Umfang als unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) angesetzt.
Die Kläger erklärten in ihrer am bei dem Beklagten (im Folgenden: FA) eingereichten Umsatzsteuererklärung für 2013 eine unentgeltliche Wertabgabe in Höhe von 5.264 EUR und errechneten eine Umsatzsteuer von 1.000 EUR. Die Kläger berechneten die zu versteuernde Wertabgabe für das Jahr 2013 dabei nach der zur Umsatzsteuer-Voranmeldung für das
1. Quartal 2013 eingereichten Anlage sowie einer Anlage zur Umsatzsteuererklärung für 2012 wie folgt:
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In Anspruch genommener Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten des Gebäudes in Höhe von 300.000 EUR × 16 % = |
48.000 EUR, |
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Umsatzsteuer für den Eigenverbrauch bis zum 31.12.2012: |
47.000 EUR, |
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noch zu zahlende Umsatzsteuer auf den Eigenverbrauch: |
1.000 EUR, |
– |
ergibt eine rein rechnerische Wertabgabe 5.264 EUR × 19 % = |
1.000 EUR. |
Das FA stimmte dieser Erklärung am zunächst zu, änderte aber zuletzt mit Steuerbescheid vom unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung die Summe der steuerpflichtigen unentgeltlichen Wertabgaben auf 17.500 EUR ab und setzte die Umsatzsteuer für 2013 um 2.325 EUR auf 3.325 EUR herauf.
Aus den Herstellungskosten des ausschließlich zu nichtunternehmerischen Zwecken genutzten Anbaus im OG errechnete das FA die unentgeltlichen Wertabgabe ab August 2003 für einen Berichtigungszeitraum von zehn Jahren wie folgt und unterwarf diese Beträge mit 16 bzw. 19 Prozent (ab 2007) der Umsatzsteuer:
2003 |
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2004 |
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2005 und 2006 |
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2007 |
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2008 bis 2012 |
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2013 (bis Juli) |
10 % von 300.000 für 7 Monate |
17.500 (= 30.000 EUR geteilt durch 12 × 7) |
Gegen den Umsatzsteuerbescheid für 2013 vom war der am beim FA eingegangene Einspruch gerichtet.
Mit Einspruchsentscheidung vom wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung seiner Entscheidung trägt das FA im Wesent...