Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung des inzwischen erhöhten Umsatzsteuersatzes beim Ansatz einer unentgeltlichen Wertabgabe für die Nutzung eines dem Unternehmen nach der Seeling-Rspr. des EuGH zugeordneten Gebäudes zu nichtunternehmerischen Zwecken nicht unionsrechtswidrig
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Unternehmer, der vor dem 1.1.2011 ein Gebäude errichtet hat, welches er teilweise unternehmerisch und teilweise nichtunternehmerisch (hier: zu eigenen Wohnzwecken) nutzt, durfte nach der Seeling-Rechtsprechung des EuGH das Gebäude insgesamt seinem Unternehmen zuordnen und die auf das gesamte Gebäude entfallenden Vorsteuerbeträge nach Maßgabe von § 15 Abs. 1 UStG abziehen; die nichtunternehmerische Verwendung des Gebäudes unterlag als steuerpflichtiger Eigenverbrauch (nunmehr unentgeltliche Wertabgabe) der Umsatzbesteuerung, wobei wegen des bei Gebäuden nach § 15a Abs. 1 S. 2 UStG maßgeblichen Berichtigungszeitraum von zehn Jahren die unentgeltliche Wertabgabe grundsätzlich in Höhe von 10% der Gebäudeherstellungskosten anzusetzen ist und der in Anspruch genommene Vorsteuerabzug grundsätzlich durch eine über zehn Jahre laufende Eigenverbrauchsbesteuerung rückgängig gemacht wird.
2. Wird innerhalb von zehn Jahren nach der Herstellung/Anschaffung des gemischt-genutzten Gebäudes der Umsatzsteuersatz erhöht (im Streitfall: Errichtung des Gebäudes im Jahr 2003, Erhöhung des Steuersatzes von 16% auf 19% zum 1.1.2007), so ist ab dem Zeitpunkt der Steuersatzerhöhung der höhere Umsatzsteuersatz auch auf die private Nutzung des nichtunternehmerisch genutzten Gebäudeteils anzuwenden; der Unternehmer muss daher insoweit über zehn Jahre gesehen infolge der Eigenverbrauchsbesteuerung mehr Umsatzsteuer zahlen als er anteilig an Vorsteuern abziehen konnte. Diese Rechtslage ist nicht unionsrechtswidrig und verstößt insbesondere weder gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität noch gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit oder des Vertrauensschutzes.
Normenkette
UStG 2012 § 3 Abs. 9a Nr. 1, Abs. 1b, § 12 Abs. 1, § 27 Abs. 1 S. 1, Abs. 16, § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 S. 1, Sätze 2-3, § 15 Abs. 1-2, 4, § 15a Abs. 1 S. 2; RL 2006/112/EG Art. 26 Abs. 1 Buchst. a, Art. 75, 187 Abs. 2; AEUV Art. 267
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob und in welcher Höhe die teilweise private Nutzung eines Betriebsgebäudes steuerpflichtig zu berücksichtigen ist.
Der Kläger betreibt eine Land- und Forstwirtschaft und hat zur Regelbesteuerung nach § 24 Abs. 4 Umsatzsteuergesetz (UStG) optiert.
Mit Wirkung zum 31. November 2011 wurde ihm von seinen Eltern im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen – zuvor bereits von ihm gepachtetes – landwirtschaftliches Grundvermögen sowie eine Gastwirtschaft übertragen. Dazu gehörte auch ein teilweise privat genutztes Gebäude, das 2003 von den Eltern des Klägers unter Inanspruchnahme des vollen Vorsteuerabzugs erbaut worden war. Ab Dezember 2003 wurde aufgrund der teilweisen Privatnutzung eine unentgeltliche Wertabgabe besteuert.
In seiner Umsatzsteuererklärung für 2012, der der Beklagte (das Finanzamt – FA –) zustimmte, errechnete der Kläger eine Umsatzsteuer in Höhe von 52.267,85 EUR, wobei er keine sonstigen Leistungen nach § 3 Abs. 9a UStG erklärte. Dazu wurde in einer Anlage erläutert, dass der der Privatnutzung zuzuordnende, in 2003 erhaltene Vorsteuerabzug in Höhe von 37.447,25 EUR durch Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe seit Dezember 2003 bereits mit August 2011 – und damit vor Ablauf des 10-Jahreszeitraums gemäß § 10 Abs. 4 UStG – betragsmäßig zurückgezahlt worden sei. Denn die Erhöhung des Regelsteuersatzes von 16 % auf 19 % ab 1. Januar 2007 führe zu einer erhöhten „Tilgungsrate”. Eine weitere „Kompensation” des Vorsteuerabzugs durch Besteuerung der Privatnutzung widerspreche dem Neutralitätsgebot.
Nach Anhörung des Klägers berücksichtigte das FA sonstige Leistungen nach § 3 Abs. 9a UStG für die Privatnutzung des Gebäudes in Höhe von 28.603 EUR und setzte die Umsatzsteuer für 2012 mit Bescheid vom 25. März 2014 entsprechend in Höhe von 57.702,42 EUR fest. Dazu erläuterte das FA, dass die Bemessungsgrundlage für eine unentgeltliche Wertabgabe durch gleichmäßige Verteilung der Anschaffungs- und Herstellungskosten für das teilweise privat genutzte Gebäude auf zehn Jahre zu berechnen sei. Der maßgebliche Zeitraum ende im Streitfall zum 30. November 2013, da der Übergang des relevanten Gebäudes von seinen Eltern auf den Kläger im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen erfolgt sei.
Den dagegen eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 8. März 2016 als unbegründet zurück.
Aufgrund einer zwischenzeitlich durchgeführten Außenprüfung setzte das FA mit Bescheid vom 29. August 2017 die Umsatzsteuer für 2012 in Höhe von 58.081,21 EUR wegen vorliegend nicht streitiger Feststellungen fest.
Zur Begründung der hiergegen erhobenen Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor, dass die Wertabgabenbesteuerung in dem ...