Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollziehung einer Kostenrechnung
Leitsatz (redaktionell)
1. Wenn bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Kostenansatzes bestehen, kann nach dem Ermessen des Gerichts die aufschiebende Wirkung angeordnet werden.
2. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn bei Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken.
3. Die zutreffende Rüge einer unrichtigen Sachbehandlung begründet ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Kostenansatzes.
4. Macht der Erinnerungsführer geltend, keine Prozessvollmacht für die Klage erteilt zu haben, ist er nicht Beteiligter und kein Kostenschuldner.
Normenkette
GKG § 66; FGO §§ 57, 62 Abs. 6; GKG § 21 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die aufschiebende Wirkung der Erinnerung in dem Verfahren 9 Ko 3642/20 GK gegen den Kostenansatz in dem Verfahren 9 K 1137/20 E, U anzuordnen ist.
In dem Verfahren 9 K 1137/20 E, U hatte die Rechtsanwalts- und Steuerkanzleikanzlei A im Namen der Erinnerungsführerin und des Herrn B Klage wegen Einkommensteuer 2016 bis 2018 und Umsatzsteuer 2018 gegen das Finanzamt C erhoben. Eine Prozessvollmacht hatte die Kanzlei in dem Verfahren nicht vorgelegt.
Nachdem innerhalb der vom damaligen Berichterstatter gesetzten Ausschlussfristen nach § 65 Abs. 2 Sätze 1 und 2 sowie § 75 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zum 18.08.2020 kein Sachvortrag der Kläger erfolgt war, wies der damalige Berichterstatter die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20.08.2020 als unzulässig ab und legte den Klägern die Kosten des Verfahrens gem. § 135 Abs. 1 FGO (als Gesamtschuldnern) auf.
Mit Datum vom 15.10.2020 ergingen zunächst hälftige Kostenrechnungen über jeweils 292 € an beide Kläger, die Erinnerungsführerin und Herrn B (Verfahrenskosten bei einem Streitwert in Höhe von 5.000 €).
Die zentrale Zahlstelle der Justiz teilte dem Finanzgericht Münster am 16.10.2020 mit, dass Herr B amtsbekannt pfandlos sei.
Mit Datum vom 15.12.2020 erging eine zweite Rechnung (Zweitschuldnerrechnung) an die Erinnerungsführerin über die gesamten Verfahrenskosten in Höhe von 589 € (584 € Verfahrenskosten und 5 € Mahngebühr).
Mit Schreiben vom 28.12.2020 wandte sich die Erinnerungsführerin an das Finanzgericht und teilte mit, dass sie keine Klage vor dem Finanzgericht Münster eingereicht habe. Sie habe auch keinen Rechtsanwalt/keine Rechtsanwältin mit der Einleitung des Klageverfahrens beauftragt. Sie werde seit dem Jahr 2015 von ihrem geschiedenen Ehemann getrennt veranlagt und habe auch eine eigene Steuernummer. Für die Jahre 2016 bis 2018 habe sie stets gesonderte Steuerbescheide erhalten. Von dem Klageverfahren habe sie erstmals mit Zustellung der Kostenrechnung erfahren. Gleichzeitig legte sie ausdrücklich Erinnerung ein und bat um Anordnung der aufschiebenden Wirkung.
Die Erinnerungsführerin beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung der Erinnerung in dem Verfahren 9 Ko 3642/20 GK bezüglich der in Rechnung gestellten Gerichtskosten anzuordnen.
Der Erinnerungsgegner hat der Erinnerung im Verfahren 9 Ko 3642/20 GK nicht abgeholfen. Zur Begründung hat er ausgeführt: „Mit der Erinnerung nach § 66 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) können Einwendungen erhoben werden, die sich gegen die Kostenrechnung selbst richten, d.h. gegen Ansatz und Höhe einzelner Kosten oder gegen den Streitwert. Vorliegend mache der Erinnerungsführer derartige Einwendungen nicht geltend.”
Am 07.01.2021 teilte die zuständige Sachbearbeiterin beim Finanzamt C, Frau D, dem Einzelrichter auf dessen Nachfrage telefonisch mit, dass die im Verfahren 9 K 1137/20 E, U streitgegenständlichen Bescheide nur an den Kläger gerichtet gewesen seien. Auch das Einspruchsverfahren sei nur vom Kläger betrieben worden (siehe Telefonvermerk, Bl. 39 der Gerichtsakte in dem Verfahren 9 K 1137/20 E, U).
Mit Schreiben vom 07.01.2020 hat der Einzelrichter die Rechtsanwalts- und Steuerkanzleikanzlei A in dem Verfahren 9 K 1137/20 E, U aufgefordert, bis zum 28.01.2021 für das Verfahren 9 K 1137/20 E, U eine Vollmacht für beide Kläger vorzulegen (Bl. 39 der Gerichtsakte in dem Verfahren 9 K 1137/20 E, U).
Der Einzelrichter hat die Gerichtsakten der Verfahren 9 Ko 3642/20 GK und 9 K 1137/20 E, U beigezogen.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag hat Erfolg.
I. Der Einzelrichter kann nach § 66 Abs. 7 Satz 2 iVm § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG die aufschiebende Wirkung auf Antrag oder von Amts wegen ganz oder teilweise anordnen. Nach dem Geschäftsverteilungsplan des Senats ist der Berichterstatter Einzelrichter i.S.d. § 66 GKG.
II. Die Anordnung ist in das Ermessen des Gerichts gestellt. Das Gericht übt sein Ermessen dahingehend aus, dass die aufschiebende Wirkung angeordnet wird, soweit – entsprechend § 69 Abs. 2 und Abs. 3 FGO ...