Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch für ein volljähriges Kind, das während einer Berufsausbildung erkrankt
Leitsatz (redaktionell)
Der Fortbestand eines Kindergeldanspruchs für ein ausbildungswilliges Kind, dass während der Ausbildung erkrankt – vorliegend an einem Schädel-Hirntrauma – und aufgrund dessen objektiv und zeitweise an der Fortführung der Ausbildung gehindert ist, hängt entgegen der bestehenden Dienstanweisung weder davon ab, dass das voraussichtliche Ende der Erkrankung ärztlich bescheinigt ist, noch kommt es auf den Zeitpunkt der Abgabe einer Erklärung des Kindes zur Ausbildungswilligkeit an.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 44
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin im Zeitraum von Oktober 2018 bis Mai 2019 (weiterhin) einen Anspruch auf Kindergeld für ihren erkrankten Sohn hat.
Die Klägerin bezog fortlaufend Kindergeld für ihren Sohn X., geboren am xx.02.1999. Der Sohn begann am 01.08.2015 seine Ausbildung zum Zweiradmechatroniker in der Fachrichtung Fahrradtechnik, die nach dem Berufsausbildungsvertrag zum 31.01.2019 enden sollte.
Der Sohn hatte am xx.09.2018 während seiner Arbeit einen Unfall und erlitt unter anderem einen Schädelbasisbruch und ein Schädel-Hirn-Trauma. Wegen des Unfallhergangs, der weiteren Unfallfolgen und der Behandlungen des Sohnes wird auf die Berichte über die stationäre Behandlung vom 26.09.2018 bis zum 23.11.2018 im Klinikum E. vom 23.11.2018 und vom 28.11.2018 sowie die weiteren eingereichten (Therapie-)Berichte verwiesen. In dem Bericht des Klinikums E. vom 23.11.2018 wird unter anderem ausgeführt: ”… Hinsichtlich der beruflichen Teilhabe erscheint eine Rückkehr in den bisher ausgeübten Beruf bzw. die Berufsausbildung trotz der noch deutlich bestehenden neuropsychologischen Defizite möglich. Eine neuropsychologische Behandlung der bestehenden Defizite ist dringend und unbedingt indiziert. Diese sollte die Rückkehr in den häuslichen wie beruflichen Alltag begleiten, die Wiedereingliederung bzw. das Anforderungsprofil des Alltags steuern und das Kind in der Umsetzung störungsspezifischer Kompensationsstrategien unterstützen. …”. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus durchlief das Kind einen sog. Reha-Plan. Mit Schreiben vom 12.02.2019 bestätigt die Berufsgenossenschaft, dass das anhängige medizinische Heilverfahren das Ziel der Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit als Zweiradmechatroniker in Ausbildung verfolge und der persönliche Reha-Plan am 15.03.2019 fortgeschrieben werde. Nach den zur Gerichtsakte eingereichten weiteren Unterlagen, die sich auf Zeiträume nach dem hier streitigen Zeitraum bis Mai 2019 beziehen, erhielt der Sohn am 09.07.2019 eine Aufnahmezusage zur beruflichen Eingliederung. Er nahm in der Zeit vom 02.09. bis 29.09.2019 an einer Arbeitserprobung teil. In dem Bericht über die Arbeitserprobung wird unter anderem ausgeführt: „… Der Sohn ist mit guter Motivation in die Arbeitserprobung gestartet. … Er möchte seine Ausbildung zum Zweiradmechatroniker erfolgreich beenden. … Der Genesungsprozess (körperlich wie kognitiv) ist nach dem Unfall 2018 derzeit noch nicht abgeschlossen. Die medizinische Rehabilitation ist für die weitere berufliche Förderung sehr wichtig und notwendig. …”. Ab dem 07.02.2020 nahm das Kind zudem an einer weiteren berufsvorbereitenden Maßnahme teil. Wegen der weiteren Reha-Maßnahmen und Behandlungen wird auf die weiteren zur Gerichtsakte übersandten Berichte verwiesen.
Das Ausbildungsverhältnis bestand unstreitig über den Monat Mai 2019 – dem letzten Monat des im vorliegenden Verfahren streitbefangenen Zeitraums – hinaus fort.
Mit Bescheid vom 04.12.2018 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für den Sohn gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab Januar 2019 auf, da er nach ihren Unterlagen seine Berufsausbildung im Dezember 2018 beende.
Mit Schreiben vom 17.12.2018 und 18.01.2019 wies die Klägerin darauf hin, dass ihr Sohn einen Unfall mit Schädelbasisbruch, Schädelhirntrauma, etc. erlitten habe. Sie übersandte auf Aufforderung der Beklagten am 18.01.2019 die Erklärung des Kindes, dass er beabsichtige, die durch die Erkrankung unterbrochene Ausbildung zum nächstmöglichen Zeitpunkt fortzusetzen sowie die Bescheinigung der Chefärztin am Klinikum E. vom 18.01.2019, in der angekreuzt ist, dass das Ende der Erkrankung nicht absehbar sei.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 06.02.2019 die Festsetzung von Kindergeld ab Januar 2019 ab. Zur Begründung führte sie aus: Der Sohn könne nicht mehr berücksichtigt werden, da er aufgrund der Erkrankung in absehbarer Zeit nicht aktiv an der bisherigen Ausbildung teilnehmen könne. Der Sohn könne mangels eines ärztlichen Nachweises mit einem bescheinigten absehbaren Ende der Erkrankung nicht berücksichtigt werden. Die Erkrankung selbst begründe keinen eigenen Tatbestand für einen Anspruch auf Kindergeld.
Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid am 17.02.2019 Einspruch ein.
Mit Bescheid vom 04.03.2019 hob die Beklagte – nach v...