Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfüllungswirkung bei erfolgter Abtretung
Leitsatz (redaktionell)
1. Dadurch, dass die Stpfl. dem FA unter ihrem Namen geänderte Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis übermittelt und es dem Abtretungsempfänger, dem FA, ausdrücklich überlassen hat, diese an die Y-GmbH weiterzuleiten, hat sie die Rechnungen zwar nicht unmittelbar gegenüber der Y-GmbH, aber doch über das FA in den Verkehr gebracht und das FA ermächtigt und in die Lage versetzt, die Rechnungen, die die Stpfl. in ihrem Namen ausgestellt hatte, an die Y-GmbH zu überreichen. Nach Auffassung des Senats kann dieses zur Erfüllung der Voraussetzung des § 27 Abs. 19 S. 4 Nr. 1 UStG als ausreichend angesehen werden.
2. Soweit das FA zeitgleich mit der Annahme der Abtretung sowie im angefochtenen Abrechnungsbescheid erklärt hat, dass die Abtretung nicht an Zahlungs statt wirke, hat dies keine Rechtswirkung. Denn nicht das FA entscheidet über die in § 27 Abs. 19 S. 4 UStG vorgesehenen gesetzlichen Folgen, sondern allein das Vorliegen der in § 27 Abs. 19 UStG aufgeführten Voraussetzungen ist maßgeblich.
Normenkette
UStG § 27 Abs. 19
Tatbestand
Streitig ist die Erfüllungswirkung einer erfolgten Abtretung im Zusammenhang mit der Anwendung des § 27 Abs. 19 Umsatzsteuergesetz (UStG).
Die Klägerin ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand der Betrieb eines Bauunternehmens ist.
In ihrer Umsatzsteuererklärung für 2012 meldete die Klägerin eine Umsatzsteuer i.H.v. ./. 82.018,87 € an. Der Beklagte erteilte am 03.05.2013 seine Zustimmung, womit die Steuer nunmehr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt war. Mit Bescheid vom 02.10.2014 hob der Beklagte den Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) auf.
Am 08.06.2015 erhielt der Beklagte eine Kontrollmitteilung vom Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung J-Stadt. Die Klägerin habe im Jahr 2012 als leistende Unternehmerin Bauleistungen an die Bauträgerin Y-GmbH (nachfolgend: Y-GmbH) über insgesamt 162.646,06 € netto (Umsatzsteuer nach § 13b UStG 30.902,76 €) erbracht. Die Y-GmbH als Bauleistungsempfängerin habe nunmehr mit Schreiben vom 28.05.2014 unter Berufung auf das BFH-Urteil vom 22.08.2013 (V R 37/10) einen Antrag auf Erstattung der nach § 13b UStG für Bauleistungen der Klägerin abgeführten Umsatzsteuer 2012 gestellt.
Mit Schreiben vom 28.07.2015 setzte der Beklagte die Klägerin über diesen Sachverhalt in Kenntnis. Er teilte der Klägerin zugleich mit, dass diese nunmehr nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG Steuerschuldnerin sei. Sie, die Klägerin, sei deshalb nach § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG verpflichtet, ordnungsgemäße Rechnungen im Sinne des § 14 Abs. 4 S. 1 UStG auszustellen, die insbesondere den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag enthalten müssten. Zudem sei die Klägerin nach § 18 UStG verpflichtet, die Umsatzsteuer anzumelden bzw. eine berichtigte Jahreserklärung abzugeben. Es sei regelmäßig von einer Nettopreisabrede auszugehen, wenn die Parteien davon ausgegangen seien, dass der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer schulde. Der Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass die Möglichkeit bestehe, den gesamten sich aus den berichtigten Rechnungen ergebenden Zahlungsanspruch gegen den Leistungsempfänger an das Land NRW, vertreten durch den Beklagten, nach § 27 Abs. 19 S. 3 UStG abzutreten. Im Falle der Erfüllung der Voraussetzungen des § 27 Abs. 19 S. 4 UStG könne die Klägerin hiermit an Zahlungs statt ihre Umsatzsteuerschuld erfüllen. Sofern die Klägerin von der Möglichkeit der Abtretung Gebrauch machen wolle, solle sie dem Beklagten zunächst die entsprechenden berichtigten Rechnungen sowie die unterschriebene Abtretungserklärung bzw. den unterschriebenen Abtretungsvertrag übersenden. Das Schreiben enthielt eine Frist bis zum 25.08.2015.
Die Klägerin erteilte zunächst keine korrigierten Rechnungen mit offenem Umsatzsteuerausweis über die erbrachten Bauleistungen im Jahr 2012. Auch erklärte sie zunächst nicht die Abtretung der Zahlungsansprüche gegen die Y-GmbH im Sinne des § 27 Abs. 19 S. 3 UStG. Vielmehr antwortete sie dem Beklagten mit Schreiben vom 06.08.2015 und 17.08.2015, dass sie nicht erkennen könne, weshalb sie nun nachträglich die Umsatzsteuer schulden und sie eine berichtigte Erklärung abgeben solle. Außerdem sei § 27 Abs. 19 S. 2 UStG verfassungswidrig. Gegen einen Änderungsbescheid wolle sie Sprungklage erheben.
Der Beklagte erließ daraufhin am 02.10.2015 einen nach § 27 Abs. 19 UStG geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2012, in dem er die Umsatzsteuer nunmehr i.H.v. ./. 56.050,24 € (Umsatzsteuer-Erhöhung um 25.968,63 €) festsetzte (Bl. 9 der Gerichtsakte 5 K 3278/15 U). Der Änderungsbetrag errechnete sich durch Herausrechnung der Umsatzsteuer aus den ursprünglichen Rechnungsbeträgen von insgesamt 162.646,06 €. Zugleich setzte der Beklagte Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO i.H.v. 2.335,00 € fest. Diese würden sich auf den Nachzahlungsbetrag von 25.968,63 € bei einem Zinslauf ab 15 Monate nach Ablauf ...