Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtfestsetzung von Grunderwerbsteuer bei Rückgängigmachung einer Anteilsübertragung, wenn der vorausgegangene Erwerbsvorgang nicht steuerbar war. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: II R 16/23)
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Befreiungsvorschrift des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG findet auch Anwendung, wenn es sich nur bei der Rückübertragung (hier: eines 49 %-Anteil am Stammkapital einer GmbH), nicht aber bei der vorausgegangenen Übertragung um einen steuerpflichtigen Erwerbsvorgang nach § 1 GrEStG gehandelt hat.
2. Der Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 EStG steht § 16 Abs. 5 GrEStG weder direkt noch analog entgegen, wenn der Ersterwerb mangels Steuerbarkeit nicht angezeigt werden musste. Die Nichtanzeige des Widerrufs ist gemäß § 16 Abs. 5 GrEStG unschädlich.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 2, § 16 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 S. 1, § 1 Abs. 3 Nr. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Rückübertragung von Anteilen an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) durch den Widerruf einer Schenkung grunderwerbsteuerpflichtig ist oder ob die Grunderwerbsteuer gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 3 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) nicht festzusetzen ist.
Der Kläger war Alleingesellschafter der T GmbH (eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts J-Stadt unter […], nachfolgend GmbH), die Eigentümerin in J-Stadt gelegenen Grundbesitzes war.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 14.06.2016 übertrug der Kläger einen Geschäftsanteil in Höhe von 49 % des Stammkapitals der GmbH unentgeltlich an seinen Sohn, Herrn K. T. (Urkundenrolle Nummer […] des Notars A, E-Stadt). Der Vertrag enthielt folgende Regelungen:
§ 2 Abs. 3: „Diese Abtretung erfolgt mit sofortiger dinglicher Wirkung, allerdings unter der auflösenden Bedingung der Geltendmachung des unter § 4 vereinbarten Rückforderungsrechtes.”
§ 3 Abs. 1 S. 2: „Der Schenker behält sich gemäß nachfolgendem § 4 das Recht vor, die Schenkung in bestimmten Fällen zu widerrufen und die Rückübertragung des Geschäftsanteils zu fordern.”
§ 4 Abs. 1: „Der Schenker behält sich das Recht vor, durch schriftliche Erklärung per Einschreiben/Rückschein gegenüber dem Beschenkten bzw. dessen Rechtsnachfolgern die Schenkung des gemäß § 2 überlassenen Gesellschaftsanteils zu widerrufen und die Rückübertragung auf sich zu verlangen, wenn […]
c) der Beschenkte während der Lebenszeit des Schenkers ohne Hinterlassung eigener leiblicher Abkömmlinge stirbt;”
§ 4 Abs. 2: „Die Schenkung ist auflösend bedingt in dem Sinne, dass die auflösende Bedingung mit der Ausübung des Widerrufsrechts eintritt. Der Beschenkte ist für den Zeitraum, für den ihm die Nutzungen der geschenkten Beteiligung zugestanden hat, wie ein Nießbraucher zu behandeln (§ 29 Abs. 2 Erbschaftsteuergesetz). Dies gilt jedoch nur für die tatsächlich dem Beschenkten zugeflossenen Beträge, aber mit der Maßgabe, dass dem Beschenkten etwa auf den Schenkungsgegenstand getätigte Aufwendungen und Verwendungen zu erstatten sind.”
§ 4 Abs. 4: „Im Übrigen gelten ergänzend die gesetzlichen Bestimmungen über den Rücktritt (§ 346 ff. BGB).”
§ 5 Abs. 1: „Das Widerrufsrecht ist höchstpersönlich und besteht lebenslang, unbeschadet der Regelung in Abs. (3).
§ 5 Abs. 2: „Das Widerrufsrecht erlischt, wenn der Schenker nicht mehr Gesellschafter der Gesellschaft ist. Das Widerrufsrecht ist binnen 12 Monaten ab Kenntnis der dem Widerrufstatbestand zugrunde liegenden Tatsachen auszuüben. Es gilt der Zugang der schriftlichen Widerrufserklärung bei dem Beschenkten.”
Der Notar zeigte den Vorgang dem Beklagten gegenüber an, wobei das Anschreiben an den Beklagten mit dem Zusatz „Grundbuchamt” versehen war.
Der Sohn des Klägers verstarb am 00.00.2018 unverheiratet und hinterließ keine leiblichen Abkömmlinge. Der Sohn des Klägers hatte keine Verfügung von Todes wegen erstellt. Erben wurden im Wege der gesetzlichen Erbfolge seine Eltern, also der Kläger und dessen (getrennt lebende) Ehefrau.
Mit an sich und seine Ehefrau gerichteten Schreiben vom 28.11.2018 widerrief der Kläger unter Hinweis auf die Regelung in § 4 Abs. 1 Buchst. c) des Vertrags vom 14.06.2016 die Schenkung. Der Ehefrau ging das per Einschreiben mit Rückschein übersandte Schreiben am 06.12.2018 zu. Der Grundstücksbestand der GmbH hatte sich zwischenzeitlich nicht verändert.
Mit Bescheid vom 28.05.2020 setzte der Beklagte – der von dem Vorgang durch eine Außenprüfung bei der GmbH Kenntnis erlangt hatte – Grunderwerbsteuer in Höhe von 134.856 EUR fest und führte in den Erläuterungen aus:
Die der Besteuerung zugrunde gelegten Grundbesitzwerte zum 28.11.2018 seien geschätzt. Der Widerruf der Schenkung führe zu einer am 28.11.2018 verwirklichten Anteilsvereinigung, die nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) steuerbar sei.
Den dagegen gerichteten Einspruch begründete der Kläger damit, dass es zwar zu einer Anteilsvereinigung gekommen sei, die Grunderwerbsteuer aber nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG nicht festzusetzen sei. Diese Vorschrift solle auch dann zur Anwendung gelan...