Entscheidungsstichwort (Thema)
Frage der Steuerbefreiung einer Handylieferung im Rahmen eines grenzüberschreitenden Reihengeschäfts
Leitsatz (redaktionell)
1. Grundsätzlich ist gem. § 3 Abs. 6 S. 6 UStG in dem Fall, dass der mittlere Unternehmer (1. Erwerber) die Beförderung oder Versendung der Ware durchführt, die Beförderung oder Versendung (sog. bewegte Lieferung) dem 1. Umsatzgeschäft zuzuordnen. Etwas anderes gilt nur, wenn nachgewiesen ist, dass der 1. Erwerber den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet. Für die erforderliche Abgrenzung kommt es auf die Verpflichtung und Absichtsbekundung des Zwischenerwerbers an, den Liefergegenstand zu befördern oder zu versenden.
2. Nicht allein maßgeblich ist, wer den Transport der Ware tatsächlich veranlasst oder die Gefahr und/oder Transportkosten trägt. Ebenso stellt die verwendete Umsatzsteueridentifikationsnummer des Zwischenerwerbers allenfalls ein Indiz dar. Die Frage der Zurechnung der bewegten Lieferung hängt vielmehr von einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalles ab.
Normenkette
UStG § 6 Abs. 1, § 3 Abs. 6 Sätze 5-6, § 4 Nr. 1 Buchst. a
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Handylieferung im Rahmen eines grenzüberschreitenden Reihengeschäfts im Streitjahr 2008 von der Klägerin zu Recht als steuerfrei behandelt wurde.
Die Klägerin ist unstreitig umsatzsteuerliche Organträgerin der R GmbH (Organgesellschaft). Eine in Großbritannien registrierte S Ltd bestellte am 30.05.2008 20.000 Handys bei der Organgesellschaft. Die S Ltd trat dabei unter ihrer britischen Umsatzsteueridentifikationsnummer auf und war in Deutschland steuerlich nicht registriert. Zwischen der Organgesellschaft und S Ltd war die Lieferbedingung „EXW N” vereinbart.
Die Organgesellschaft berechnete mit Rechnung vom 12.06.2008 die 20.000 Handys. Umsatzsteuer war auf der Rechnung nicht ausgewiesen. Die Rechnung enthielt den Hinweis „VAT Nummer GB … EU Ausfuhrlieferungen sind nach § 4 (1b) UStG steuerfrei…”. Die Rechnung wurde am 12.06.2008 bezahlt. Von den 20.000 berechneten Handys sind unstreitig 5.000 nach England gelangt. Die steuerliche Behandlung dieser 5.000 Handys ist hier nicht streitig.
Die S Ltd hatte am 12.06.2008 eine „proforma invoice” über 12.000 Handys an O T, PO Box xxx, Dubai und am 10.06.2008 über 3.000 Handys an P L.L.C, PO Box xxx, Dubai gestellt. Daraus ergibt sich, dass den Handys ein deutsches Handbuch beigegeben war. Als Auslieferungsort waren auf den zuvor genannten Proformarechnungen, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, jeweils Frachtzentren in der Freihandelszone Flughafen Dubai angegeben.
Die S Ltd beauftragte am 12.06.2008 die H Ltd mit der Abholung der 15.000 Handys bei der Organgesellschaft und dem Transport der Handys nach Dubai. Am 13.06.2008 erfolgte die Ausfuhrabfertigung am Hauptzollamt G. Als zollamtlicher Anmelder ist die Organgesellschaft angegeben. Diese ist auf den zollamtlichen Ausfuhrpapieren neben der S Ltd außerdem als „Versender/Ausführer” aufgeführt.
Am 19.06.2008 wies der Rechnungsempfänger O T, Dubai, die Annahme von 10.000 der an ihn berechneten 12.000 Handys zurück. S Ltd verkaufte diese am 23.06.2008 an einen anderen Abnehmer in Z (D LLC, Dubai). Weitere Angaben über die Umstände der Liefergeschäfte der S Ltd an ihre Abnehmer in Dubai sind nicht bekannt.
Die Klägerin hat in ihrer Umsatzsteuervoranmeldung für Juni 2008 die Lieferung der 20.000 Handys als steuerfrei behandelt. In der zusammenfassenden Meldung gemäß § 18a UStG der Klägerin war der Vorgang zunächst nicht erfasst. Die Lieferung der 5.000 Handys ist später in einer zusammenfassenden Meldung erklärt worden.
Nach einer Mitteilung der Zentralstelle zur Umsatzsteuer-Betrugsbekämpfung NRW vom 12.09.2008 an den Beklagten über die Ausfuhr der 15.000 Handys begann am 06.11.2008 bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für Juni und Juli 2008. Der Prüfer war der Auffassung, die Lieferung der 15.000 Handys, die letztlich nach Dubai gelangt sind, sei nicht steuerfrei. Es wird auf den Außenprüfungsbericht vom 14.01.2009, Tz 14 a) Bezug genommen. Der Beklagte erließ für Juni 2008 am 23.01.2009 nach Maßgabe des Prüfungsberichts einen Änderungsbescheid, gegen den die Klägerin fristgemäß Einspruch einlegte.
Während des Einspruchsverfahrens, am 03.03.2010, reichte die Klägerin ihre Umsatzsteuer – Jahreserklärung für das Streitjahr 2008 beim Beklagten ein. Darin war die Lieferung der 15.000 Handys wiederum als steuerfrei erfasst, was der Beklagte aber zunächst nicht erkannt hat. Der Beklagte stimmte der Umsatzsteuer – Jahreserklärung am 26.03.2010 zunächst zu.
Mit Einspruchsentscheidung vom 22.09.2010 wurde die Umsatzsteuer (verbösernd) auf … EUR gegen die Klägerin festgesetzt. Der Umsatz der 15.000 Handys, die nach Dubai gelangt sind, wurde als umsatzsteuerpflichtig behandelt (Netto – Bemessungsgrundlage: … EUR, 19 %: … EUR).
Dagegen richtet si...