Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Berechtigung ausländischer Eltern mit Aufenthaltsbefugnis zum Bezug von Kindergeld
Leitsatz (redaktionell)
1) Eine für das Bestehen des Kindergeldanspruchs erhebliche Änderung in den Verhältnissen - wie die Aufnahme einer bezahlten Ausbildung durch das behinderte Kind - ist nicht irgendeiner Dienststelle des Arbeitsamtes anzuzeigen, sondern gegenüber der zuständigen Familienkasse unter dem dort geführten Aktenzeichen. Anderenfalls ist eine Mitwirkungspflichtverletzung im Sinne von § 68 EStG gegeben.
2) Der Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten im Sinne von § 68 EStG verhindert die Entstehung eines Vertrauenstatbestandes durch den Weiterbezug von Kindergeld.
3) Gegen die Rückforderung von Kindergeld gibt es keinen Einwand des Wegfalls der Bereicherung. Vielmehr ist über einen Erlass im gesonderten Billigkeitsverfahren zu entscheiden.
Normenkette
EStG § 70 Abs. 3, § 32 Abs. 4, 4 S. 2, § 68 Abs. 1, 1 Sätze 1-2; SGB X § 48; EStG § 70 Abs. 2
Nachgehend
Gründe
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Beklagte eine Kindergeldbewilligung ändern und überzahltes Kindergeld zurückfordern durfte.
Aufgrund des Kindergeldbescheides vom 04.01.1993 erhielt der Kläger (Kl.) in der Zeit von Januar 1996 bis November 1997 Kindergeld in Höhe von insgesamt 4.820 DM für seinen am 28.02.1970 geborenen behinderten Sohn N. Dieser befand sich seit 1994 in einer Berufsausbildung zum Bürokaufmann beim E. Die Arbeitsaufnahme teilte der zuvor als arbeitslos gemeldete Sohn des Kl. unter seiner Stammnummer im August 1994 dem Arbeitsamt mit. Die laufenden Ausbildungsbezüge betrugen ab dem 01.01.1996 monatlich 1.167,11 DM und ab dem 01.08.1996 bis zum 30.06.1997 monatlich 1.243,83 DM. Daneben erhielt der Sohn in 1996 als Sonderzuwendung Weihnachts- und Urlaubsgeld in Höhe von 1.656,94 DM. Nach Beendigung der Ausbildungszeit erhielt er ferner Arbeitslosenbezüge in Höhe von 660 DM. Nach dem Inhalt der Kindergeldakte erfuhr der zuständige Bearbeiter der Familienkasse des Arbeitsamtes aufgrund einer standardisierten Anfrage vom 16.11.1997 Ende 1997 bzw. Anfang 1998 von der Berufsausbildung und den erhaltenen Bezügen. Eine weitere Anfrage bei der Rehabilitations- und Schwerbehindertenstelle des Arbeitsamtes ergab, daß der Sohn in der Lage war, eine mehr als kurzfristige Beschäftigung im Sinne des § 102 AFG auszuüben und damit dem Arbeitsmarkt grundsätzlich in vollem Umfang zur Verfügung stand. Mit Schreiben vom 23.01.1998 gab der Beklagte (Bekl.) dem Kl. die Gelegenheit zur Stellungnahme zu der beabsichtigten Rückforderung, die der Kl. am 09.02.1998 beantwortete.
Mit Bescheid vom 23.03.1998 hob der Bekl. die Kindergeldfestsetzung für den streitigen Zeitraum Januar 1996 bis November 1997 unter Hinweis auf die Vorschrift des § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) auf und forderte Kindergeld in Höhe von insgesamt 4.820 DM zurück. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.
Der Kl. ist der Auffassung, daß die auf § 70 Abs. 2 EStG gestützte Rückforderung rechtswidrig sei.
Mit der Novellierung des Kindergeldrechts habe die Vorschrift des § 70 Abs. 2 EStG die Norm des § 48 SGB X, die eine rückwirkende Aufhebung noch an die Erfüllung enger Tatbestandsmerkmale geknüpft und die Behörde in die Lage versetzt habe, bei atypischen Fällen von einer Rückwirkung abzusehen, verdrängt. Der Wortlaut des § 70 Abs. 2 EStG lasse die Möglichkeiten des § 48 SGB X nicht mehr zu. Nach dem Willen des Gesetzgebers sei eine striktere Fassung des § 70 Abs. 2 EStG deshalb gerechtfertigt erschienen, weil § 69 EStG strengere Mitwirkungspflichten des Kindergeldberechtigten aufstelle, so daß bei Zuwiderhandlung bzw. unterlassenen Änderungsanzeigen ein Vertrauens- und Dispositionsschutz für rechtswidrige Zahlungen nicht mehr entstehen könne. Diese grundsätzlich schlüssige Argumentation erfahre jedoch Grenzen, wenn die Behörde ihr zugetragene Informationen nicht umgehend auswerte und damit dem im Verwaltungsrecht geltenden Amtsermittlungsgrundsatz nicht ausreichend Rechnung trage. Für eine entsprechende Auslegung des § 70 Abs. 2 EStG spreche auch der Umstand, daß bereits nach der alten Rechtslage umfassende Mitteilungspflichten bestanden hätten, die keine erheblichen Unterschiede zu der neuen Rechtslage erkennen ließen.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hätte die streitige Änderung nicht erfolgen dürfen. Denn der Kl. habe nicht gegen seine Mitwirkungspflichten verstoßen. Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG gehöre zu den Mitwirkungspflichten, daß der Kindergeldempfänger grundsätzlich Änderungen von sich aus mitzuteilen habe. Dies sei durch die Benachrichtigung über den Beginn des Ausbildungsverhältnisses im März 1994 jedoch ausreichend erfolgt. Auch der Sohn N habe seine Mitwirkungspflichten im Sinne des § 68 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht verletzt, denn er sei nicht zu einer Sachverhaltsaufklärung aufgefordert worden.
Da im Streitf...