Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine analoge Anwendung von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2d EStG auf andere Freiwilligendienste
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Zahlung von Kindergeld während eines freiwilligen sozialen Jahres i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2d EStG setzt voraus, dass sowohl der Träger der Maßnahme als auch die Maßnahme als solche besondere gesetzliche Anforderungen nach dem FSJG erfüllt.
2) § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2d EStG enthält keine planwidrige Regelungslücke, die eine entsprechende Anwendung auf Freiwilligendienste anderer Art rechtfertigt.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2d
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Wesentlichen über eine analoge Anwendung des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2d Einkommensteuergesetz (EStG).
Der Kläger (Kl.) erhielt seit längerem Kindergeld für seine am 06.09.1984 geborene Tochter X.. Nach dem Ende der Schulausbildung im Juli 2004 nahm die Tochter des Kl. von August 2004 bis August 2005 an einem von der Organisation „Aktion … dienste e.V.” durchgeführten sozialen Friedensdienst in Norwegen teil (vgl. Bescheinigung vom 29.06.2004, Bl. 55 Kindergeldakte). Sie war dabei während der gesamten Zeit in sozialen Bereichen tätig (Betreuung psychisch kranker Menschen bei dem örtlichen sozialen Träger …) und erhielt neben freier Unterkunft und Verpflegung ein Taschengeld i.H. von monatlich 120,– EUR. Die konkrete Maßnahme erfüllte nicht die Voraussetzungen des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres (FSJG).
Mit Bescheid vom 28.07.2004 hob die Beklagte (Bekl.) die Festsetzung des Kindergeldes gemäß § 70 Abs. 2 EStG mit Wirkung ab August 2004 auf. Zur Begründung führte sie aus, dass die Tochter des Kl. die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nrn. 1-3 EStG nicht erfülle. Insbesondere leiste sie weder ein freiwilliges soziales bzw. freiwilliges ökologisches Jahr i.S. des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2d EStG noch einen Europäischen Freiwilligendienst im Sinne dieser Vorschrift ab.
Gegen den Aufhebungsbescheid legte der Kl. mit anwaltlichem Schreiben vom 10.08.2004 Einspruch ein. Es sei zwar richtig, dass der von der Tochter des Kl. absolvierte soziale Dienst die formalen Kriterien des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2d EStG nicht erfülle. Die Vorschrift müsse aber im vorliegenden Fall analog angewendet werden, weil der Dienst, den die Tochter des Kl. ableiste, den dort genannten Diensten jedenfalls inhaltlich gleichzusetzen sei. Eine anders lautende Entscheidung verletze den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz (GG). Zur Einspruchsbegründung verwies der Kl. ferner auf ein Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 26.02.2004 (Az.: 5 K 9/01, EFG 2004, 1121).
Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 30.03.2005 wies die Bekl. den Einspruch des Kl. als unbegründet zurück. Die Tochter des Kl. erfülle keinen der in § 32 Abs. 4 S. 1 EStG normierten Kindergeldalternativtatbestände. Zwar habe sie seit August 2004 an einem sozialen Friedensdienst im Rahmen der Aktion „… dienste e.V.” in Norwegen teilgenommen. Hierbei handele es sich jedoch weder um ein freiwilliges soziales bzw. ökologisches Jahr noch um einen Europäischen Freiwilligendienst i.S. des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2d EStG. Für eine analoge Anwendung der Vorschrift bestünde keine Notwendigkeit. Das vom Kl. im Rahmen der Einspruchsbegründung zitierte Urteil des Finanzgerichts Sachsen betreffe lediglich einen Einzelfall. Allgemeine Bedeutung komme der Entscheidung darüber hinaus nicht zu.
Der Kl. hat am 28.04.2005 die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Zwar handele es sich bei dem von seiner Tochter abgeleisteten sozialen Dienst im Rahmen der „Aktion … dienste e.V.” in Norwegen nicht um ein freiwilliges soziales bzw. ökologisches Jahr oder einen Europäischen Freiwilligen Dienst im Sinne des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2d EStG. Allerdings müsse die Regelung im vorliegenden Fall entsprechend angewendet werden. Eine Analogie als Ausdehnung des Gesetzes sei dann geboten, wenn der Gesetzgeber mit den im Gesetz geregelten Tatbeständen einen bestimmten Sachverhalt nicht geregelt habe, dieser aber nur unwesentlich von den gesetzlich normierten Tatbeständen abweiche. Voraussetzung sei dabei das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke im Gesetz sowie ein für einen vergleichbaren Fall bestehender Regelungsplan, nach dem diese Lücke geschlossen werden könne. Der Gesetzgeber habe in § 32 Abs. 4 S. 1 EStG Tatbestände wie Arbeitslosigkeit, Ausbildung, Übergangszeiten zwischen Ausbildungsabschnitten, das Warten auf einen Ausbildungsplatz, eine körperliche oder seelische Behinderung und eben auch verschiedene freiwillige Dienste, bei denen die Eltern volljähriger Kinder regelmäßig weiter unterhaltsbelastet seien, aufgezählt. Dieser Aufzählung liege der Gedanke zugrunde, das grundgesetzlich geschützte Existenzminimum aller Familienmitglieder unangetastet zu lassen. Auf dieser Grundlage sei § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2d EStG dahingehend zu verstehen, dass unterhaltsverpflic...