Entscheidungsstichwort (Thema)
Freiberuflichkeit einer Pathologen-Praxisgemeinschaft
Leitsatz (redaktionell)
1) Eine Pathologen-Praxisgemeinschaft ist bei Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte auch dann freiberuflich tätig, solange die Gesellschafter-Pathologen bei Erledigung der einzelnen Aufträge leitend und eigenverantwortlich tätig sind. Die Ausführung jedes einzelnen Auftrags muss einem Gesellschafter-Pathologen zuzurechnen sein.
2) Durchschnittliche Untersuchungszeiten der Gesellschafter-Pathologen von 74 bzw. 117 Sekunden liegen deutlich über der kritischen Grenze von 30 Sekunden bei Laborärzten und stehen der Freiberuflichkeit somit nicht entgegen.
3) Es ist zweifelhaft, ob die Laborarztrechtsprechung auf die Beurteilung der Tätigkeit einer Pathologen-Praxisgemeinschaft, die deutlich mehr Patientennähe aufweist, Anwendung findet.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 2 S. 1; GewStG § 2 Abs. 1 S. 2; EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Gewerbebetrieb unterhält und damit der Gewerbesteuer unterliegt.
Die Klägerin (Klin.) ist mit Vertrag vom 23.12.1993 gegründet worden und betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) eine pathologische Gemeinschaftspraxis, die histologische und zytologische Untersuchungen für niedergelassene Kassenärzte sowie für Krankenhäuser und deren privat liquidierende Chefärzte durchführt.
In den Streitjahren bestanden folgende Beteiligungsverhältnisse:
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1995 |
1996 |
Prof. Dr. XX |
70 % |
40 % |
Dr. VT |
30 % |
30 % |
Dr. XN |
– |
30 % |
Die GbR erklärte Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von
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1995 |
1996 |
laufender Gewinn |
3.954.667 DM |
2.916.640 DM |
Veräußerungsgewinn |
– |
893.698 DM |
Im Anschluss an das Ergebnis einer im Jahr 2001/2002 durchgeführten Betriebsprüfung ging der Beklagte (Bekl.) davon aus, dass die Klin. in den Streitjahren keine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, sondern solche aus Gewerbebetrieb erzielt habe. Dabei stützte er sich auf die allgemeinen Grundsätze der Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen freiberuflichen und gewerblichen Einkünften sowie auf die sog. Laborarztrechtsprechung.
Auf der Grundlage der Untersuchungsfallzahlen und der möglichen Arbeitszeit hatten die Prüfer eine durchschnittliche Untersuchungszeit pro Fall von 21 Sekunden (1995) bzw. 34 Sekunden (1996) ermittelt. Dabei waren sie von einer täglichen ununterbrochenen Arbeitszeit von 9 Stunden je Gesellschafter und insgesamt 3.166 (1995) bzw. 4921 (1996) Untersuchungsstunden und 540.379 (1995) bzw. 514.611 (1996) durchgeführten Untersuchungen ausgegangen. Damit habe den Ärzten keine ausreichende Zeit für die persönliche Mitwirkung an jedem einzelnen Untersuchungsauftrag zur Verfügung gestanden.
Bereits in § 14 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages vom 29.12.1993 sei geregelt worden, dass bei einer Fallzahl von rechnerisch mehr als 15.000 pro Partner die Aufnahme eines weiteren Gesellschafters angestrebt werden solle, um entsprechend den Empfehlungen des Berufsverbandes eine hohe Arbeitsqualität zu erreichen. In den Streitjahren habe die Fallzahl je Arzt deutlich höher gelegen (1995: 62.404 Untersuchungsfälle, 2 Ärzte; 1996: 59.863 Untersuchungsfälle, 3 Ärzte).
Zum 01.09.1996 wurde ein Facharzt für Pathologie, der Zeuge Dr. G, angestellt. Nach Ansicht der Prüfer war er weitgehend eigenverantwortlich, d.h. ohne Kontrolle der Gesellschafter, tätig. Das spreche ebenfalls gegen die Annahme einer freiberuflichen Tätigkeit.
Darüber hinaus erfasste der Bekl. 1996 den Gewinn aus der Veräußerung des Erbbaurechts S, N-Straße 31, mit aufstehendem Gebäude in Höhe von 499.137 DM.
Kaufpreis |
3.600.000 DM |
./. Herstellungskosten |
3.100.863 DM |
Entnahmegewinn (= laufender Gewinn 1996) |
499.137 DM |
Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Das pathologische Institut wird seit Mitte 1996 auf dem Grundstück N-Str. 31 in S betrieben. Das zum 01.07.1996 fertiggestellte, auf die Bedürfnisse der Gemeinschaftspraxis zugeschnittene, in unmittelbarer Nähe des Q-Hospitals S gelegene Gebäude war von dem alleinigen Erbbauberechtigten und Bauherrn, Prof. Dr. XX, zunächst an das Institut vermietet worden. Durch notariellen Vertrag vom 27.12.1996 verkaufte er das Erbbaurecht mit aufstehendem Gebäude zum Preis von 3.600.000 DM an seine Ehefrau, Frau Dr. WX.
Das Grundstück wurde in den Steuererklärungen von vornherein dem Vermietungsbereich von Frau Dr. WX zugeordnet. Die Betriebsprüfung vertrat demgegenüber die Auffassung, das Grundstück sei zunächst dem notwendigen Sonderbetriebsvermögen von Prof. Dr. XX zuzuordnen und der Verkauf am Jahresende 1996 als Privatentnahme zu beurteilen.
Insoweit haben die Beteiligten im Rahmen des Klageverfahrens Einvernehmen darüber erzielt, dass aus dem Verkauf des Erbbaurechts mit aufstehendem Gebäude ein Gewinn in Höhe von 382.244 DM anzusetzen ist:
Kaufpreis |
3.600.000 DM |
Buchwert des Erbbaurechts |
116.893 DM |
Buchwert Gebäude |
3.100.863 DM |
Gewinn |
382.244 DM |
Die gegen die Gewerbesteuer-Messbetragsbescheide 1995 und 1996 vom 14.10.2002 sowie die gesonderte Feststel...